Dritter Artikel. Das Verhältnis des beschaulichen Bebens zum thätigen in ein und derselben Person.
a) Das thätige Leben ist ein Hindernis für das beschauliche. Denn: I. Zum beschaulichen Leben ist eine gewisse Muße und Ruhe erfordert, wogegen das thätige mit Unruhe verknüpft ist. II. Zum beschaulichen Leben ist notwendig die Klarheit des Schauens, welche vom thätigen gehindert wird; „sieht ja dieses minder,“ wie Gregor sagt, Lias Auge war blöde. III. Das beschauliche Leben beschäftigt sich nur mit Einem; das thätige wird verwirrt durch sehr viele Dinge. (Luk. 10.) Also ist da ein Gegensatz vorhanden. Auf der anderen Seite sagt Gregor (6. moral. 17.): „Wer danach strebt, die feste Burg der Beschaulichkeit zu halten; der übe sich zuerst auf dem Felde des thätigen Lebens in guten Werken.“
b) Ich antworte, wird das thätige Leben betrachtet mit Rücksicht gerade auf das thatsächliche Arbeiten und Thätigsein, so hindere es offenbar das beschauliche Leben. Denn es kann jemand nicht zugleich nach außen hin thätig sein und der inneren ruhigen Beschauung pflegen. Wird aber das thätige Leben betrachtet mit Rücksicht darauf, daß es die innerlichen Leidenschaften ordnet und regelt, so ist es förderlich für das beschauliche Leben, da dieses durch solche Leidenschaften gestört wird. Deshalb sagt Gregor (I. c.): „Wenn jemand danach sich sehnt, die feste Burg der Beschaulichkeit zu halten, der übe sich zuerst auf dem Felde der guten Werke; daß er genau wisse, ob er dem Nächsten kein Unrecht thut, ob er das vom Nächsten ihm angethaene Unrecht mit Gleichmut trägt, ob bei zeitlichem Glücke seine Seele sich nicht in eitle Freude auflöse oder bei zeitlichem Verluste in zu tiefe Trauer sinke; dann aber solle er wohl erwägen, daß, wenn er zu sich selbst zurückkehrt, um Geistiges bei sich zu durchforschen, er keineswegs die Schatten körperlicher Dinge mit sich ziehe und zugleich die mit ihm eingezogen sind mit der Hand kluger Vorsicht abwische.“ Da also durch die Leidenschaften Phantasiebilder hervorgerufen werden, welche das Schauen des Geistes hindern, deshalb trägt das thätige Leben nach dieser Seite hin, insoweit es die inneren Leidenschaften beruhigt, zum Frieden des beschaulichen bei.
c) Damit beantwortet; denn alle diese Einwürfe beziehen sich auf die thatsächliche Thätigkeit als solche, auf die wirkliche Beschäftigung mit der Außenwelt; nicht aber auf die Wirkung, die da ist: Beruhigung der Leidenschaften.
