Zweiter Artikel. In der Kirche ziemt sich eine gewisse Verschiedenheit der Ämter oder Stände.
a) Dies ziemt sich nicht. Denn: I. Die Verschiedenheit widerstrebt der Einheit. Die Gläubigen Christi aber sind zur Einheit berufen, nach Joh. 17.: „Daß sie eins seien, wie auch wir eins sind.“ II. Die Natur bewirkt nicht durch mehrere Mittel was sie durch ein einziges vermag. Die Wirksamkeit der Gnade ist aber noch weit geordneter. Also ist es bei weitem geziemender, daß Alles, was dem Bereiche der Gnade angehört, durch die nämlichen Menschen geschehe. Und so bedarf es keiner verschiedenen Ämter und Stände. III. Das Wohl der Kirche besteht im Frieden, nach Ps. 147.: „Zu deinen Grenzen hat er den Frieden gemacht;“ und 2. Kor. ult.: „Haltet Frieden; und der Gott des Friedens wird mit euch sein.“ Die Verschiedenheit der Ämter und Stände aber stört diesen Frieden, während Ähnlichkeit ihn verursacht, nach Ekkli. 13.: „Jedes Tierchen liebt das ihm ähnliche,“ und 5 Polit. 4. heißt es: „Ein kleiner Unterschied verursacht manchmal großen Streit in einer Stadt.“ Auf der anderen Seite sagt der Ps. 40. zum Lobe der Kirche: „Umkleidet mit Mannigfaltigkeit,“ wozu Cassiodor bemerkt: „Mit der Lehre der Apostel, dem Bekenntnisse der Märtyrer, der Reinheit der Jungfrauen, dem Wehklagen der Büßer wird die Königin geschmückt, d. h. die Kirche.“
b) Ich antworte, die Verschiedenheit der Ämter und Stände in der Kirche habe zu Dreifachem Beziehung: 1. Zur Vollkommenheit der Kirche selbst. Denn wie im Bereiche der Natur die Vollendung, welche in Gott durchaus einfach und gleichförmig ist, im All der Kreaturen nur gemäß einer großen Vielheit und rücksichtlich der einzelnen Kreatur mit Mangelhaftigkeit gefunden werden kann; so fließt auch die Vollendung der Gnade, die im Haupte, in Christo, in größter Einheit gefunden wird, gemäß einer gewissen Vielheit auf die Glieder über, damit der Leib der Kirche als ein Ganzes vollendet sei. Und dies drückt Paulus (Ephes. 4.) mit den Worten aus: „Er machte einige zu Aposteln, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern wegen der Vollendung der Heiligen.“ 2. Zur Ausführung der notwendigen Thätigkeiten. Denn es ist erforderlich, daß für die verschiedenen Thätigkeiten verschiedene Menschen aufgestellt werden, damit diese Thätigkeiten schneller, ohne Störung und ohne Verwirrung vor sich gehen. Und dies drückt Paulus mit den Worten aus (Röm. 12.): „Wie wir im einen Körper viele Glieder haben; nicht aber jedem Gliede die nämliche Thätigkeit gegeben ist; so sind viele ein Körper in Christo.“ 3. Zur Würde und Schönheit der Kirche, welche in einer gewissen Ordnung besteht. Danach heißt es 3. Kön. 10.: „Als die Könign von Saba sah alle Weisheit Salomos und die Wohnungen der Diener und die Ordnung im Dienen, war sie außer sich vor Staunen;“ und 2. Tim. 2. „In einem großen Hause sind nicht nur goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und thönerne.“
c) I. Die Verschiedenheit der Ämter und Stände hindert nicht die Einheit der Kirche, welche vollendet wird durch die Einheit des Glaubens und der Liebe und der gegenseitigen Dienstleistungen, nach Ephes.4.: „Aus Ihm ist der ganze Körper ein Ganzes (durch den Glauben) und innig Verbundenes (durch die Liebe) durch die Gelenke der Dienstleistungen (wodurch einer dem anderen dient). II. Die Natur engt auch nicht umgekehrt in eins zusammen, wozu Vieles erfordert wird; wie Paulus sagt (1. Kor. 12.): „Wenn Alles Auge wäre, wo dann das Gehör?“ Und so mußten auch in der Kirche verschiedene Ämter wie Glieder an einem Leibe sein. III. Wie im natürlichen Körper der Geist die verschiedenen Glieder friedlich zusammenhält, so hält der Geist Christi die verschiedenen Glieder der Kirche friedlich zusammen, was der Apostel andeutet mit den Worten (Ephes. 4.): „Bekümmert, die Einheit des Geistes zu wahren im Bande des Friedens.“ Von dieser Einheit reißt sich jener los, der nur die eigene Genugthuung und den eigenen Vorteil sucht; wie dies auch ähnlich im Staate der Fall ist. Die Verschiedenheit der Ämter trägt vielmehr zum Frieden bei; denn so sorgen mehrere gemeinsam für das öffentliche Beste: „Gott hat uns zu einander gefügt,“ heißt es 1. Kor. 12., „daß keine Spaltung sei im Körper, sondern die Glieder wechselseitig umeinander Sorge tragen.“
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