Erster Artikel. Dem Menschen kommt es zu, um des Zweckes willen zu handeln.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Die Ursache ist ihrer Natur nach früher als die Wirkung. Der Zweck oder das Ende aber trägt wesentlich den Charakter des „Letzten“, wie schon der Name andeutet. Dem Zwecke also entspricht es von vornherein nicht, Ursache zu sein. Um dessentwillen aber der Mensch etwas wirkt, das ist die Ursache seines Handelns; wie schon die Präposition „um (etwas) willen“ besagt, denn sie drückt eine Ursächlichkeit aus. Also kommt es dem Menschen nicht zu, um eines Zweckes willen zu handeln. II. Was selber letzter Zweck, das ist nicht um eines Zweckes willen. Manchmal sind aber Handlungen selber letzter Zweck. (1 Ethic. c. l.) Also nicht alle Handlungen des Menschen geschehen um eines Zweckes willen. III. Der Mensch schein dann um eines Zweckes willen zu handeln, wenn er überlegt. Vieles aber thut der Mensch ohne Überlegung und selbst manchmal, ohne etwas dabei zu denken wie wenn jemand, mit anderem ernstlich beschäftigt, den Fuß oder die Hand bewegt oder am Barte zupft. Also nicht Alles thut der Mensch um eines Zweckes willen. Auf der anderen Seite leitet sich Alles, was innerhalb einer Seinsart ist, von dem Princip dieser Seinsart ab. Der Zweck aber ist das Princip in dem, was vom Menschen gewirkt wird. (2 Physic.) Also kommt es dem Menschen zu, Alles um eines Zweckes willen zu thun.
b) Ich antworte, daß nur jene Handlungen als eigentlich menschliche bezeichnet werden, welche vom Menschen ausgehen, insoweit er Mensch ist.Darin aber ist der Mensch von den vernunftlosen Geschöpfen unterschieden, daß er Herr seiner Handlungen ist. Jene Handlungen also allein werden als menschliche bezeichnet, über welche der Mensch Herr ist. Nun ist der Mensch Herr seines Handelns kraft der Vernunft und des Willens, wonach der freie Wille auch der Vernunft und dem Willen als Fähigkeit zugeeignet wird. Jene Handlungen allein also werden menschliche genannt, welche nach reiflicher Überlegung aus dem Willen hervorgehen. Giebt es dann noch andere Handlungen, welche dem Menschen zukommen, so werden sie besser bezeichnet als Handlungen „des Menschen“ wie als „menschliche“ Handlungen. Da es nun offenbar ist, daß jegliche Thätigkeit, welche von einem Vermögen ausgeht, von letzterem verursacht wird gemäß der Natur seines Gegenstandes; der Gegenstand des Willensvermögens aber der Zweck ist, so folgt mit Notwendigkeit, daß alle menschlichen Handlungen um eines Zweckes willen geschehen.
c) I. Der Zweck steht wohl an letzter Stelle, soweit es die Ausführung betrifft; was nämlich zuletzt thatsächlich erreicht und ins Werk gesetzt wird, das ist der Zweck. In der Absicht und der Meinung des Handelnden aber steht er an erster Stelle; und danach hat er den Charakter einer Ursache. II. Sollte irgend welches menschliches Thätigsein den Charakter des Endzweckes tragen, so müßte dasselbe jedenfalls vom Willen ausgehen, sonst wäre es nicht „menschlich“. Nun gehört ein Thätigsein in zweifacher Weise dem Willen an: einmal insoweit es vom Willen geboten wird, wie z. B. das Spazierengehen, das Sprechen; dann insoweit es im Willen sein unmittelbares Princip besitzt, wie das thätsächliche Wollen selber. Es ist aber unmöglich, daß das Wollen selber, als ein vom Willen unmittelbar ausgehender Akt Endzweck sei; denn der Gegenstand des Willens ist der Zweck, wie der Gegenstand des Sehens die Farbe ist. Sowie es also unmöglich ist, daß das an erster Stelle Sichtbare das Sehen selber sei, da ja jegliches Sehen auf einen sichtbaren Gegenstand sich richten muß; so auch ist es unmöglich, daß das an erster Stelle Erstrebbare, also der Zweck an sich, das Wollen selber sei. Somit bleibt nur übrig, daß, wenn eine menschliche Thätigkeit der Endzweck ist, diese dann eine vom Willen befohlene sei und nicht vom Willen unmittelbar ausgehe; und sonach ist dabei immer ein Thätigsein des Menschen Mittel zum Zwecke, um des Zweckes willen, zum mindesten das Wollen selber. Was auch immer der Mensch also thut, es ist wahr zu sagen, daß er um des Zweckes willen handelt; selbst dann, wenn ein Thätigsein, welches er vollbringt, der Endzweck selber ist. III. Derartige Handlungen sind nicht eigentlich „menschliche“; denn sie gehen nicht nach reiflicher Überlegung vom Willen aus, dem eigentlichen Princip der menschlichen Handlungen. Und deshalb haben sie gleichsam zum Zwecke, der den Anstoß giebt, nur ein Phantasiebild in der Einbildungskraft; nicht aber einen Zweck, den die Vernunft vorgelegt hätte.
