Achter Artikel. Der Zweck der Gesamtnatur.
a) Es scheint, daß alle anderen Dinge den nämlichen letzten Endzweck haben wie der Mensch. Denn: I. Der Endzweck entspricht dem ersten Princip. Gott aber ist das erste Princip der Menschen ebensogut wie aller anderen Dinge. II. Dionysius (de div. nom 10. et 4.) sagt: „Gott wendet Alles zu Sich selbst als zum „letzten Zwecke“. Gott aber ist der letzte Endzweck des Menschen, der Ihn besitzen soll. III. Der letzte Endzweck des Menschen ist Gegenstand des Willens. Der Wille aber hat zum Gegenstande das Gute im allgemeinen, was der schließliche Endzweck aller Dinge ist. Auf der anderen Seite ist der letzte Endzweck des Menschen die Seligkeit, nach welcher alle verlangen, wie Augustinus sagt. (19. de Civ. Dei c. 1.) Nach Augustin aber wiederum (83. Qq. 5.) „können die vernunftlosen Tiere nicht selig sein“. Also besteht nicht der nämliche Endzweck für den Menschen und die anderen Dinge.
b) Ich antworte, daß Aristoteles (5 Metaph.) unterscheidet zwischen demGute selbst oder dem Dinge, worin der Zweck den Grund der Anziehungskraft hat, dem finis cujus; und dem Gebrauche oder der Erreichung dieses Dinges, dem finis quo. So sagen wir von der Ortsbewegung eines Körpers,ihr Grenzpunkt sei entweder der tiefere Ort, also die Sache, nach welcher der Körper strebt; oder das Sein, das Sichbefinden am tieferen Ort, also der Gebrauch dieses Ortes, die Ruhe daselbst. Und der Endzweck des Geizigen ist entweder das Geld als das erstrebte Gut; oder der Besitz des Geldes als der Gebrauch desselben. Wenn wir also in der ersten Weise vom letzten Endzwecke sprechen, so ist Gott der letzte Endzweck des Menschen und aller Dinge. Sprechen wir aber vom letzten Endzwecke des Menschen, soweit es auf die Erreichung des Zweckes ankommt, so kommt da der Mensch mit den vernunftlosen Kreaturen nicht überein. Denn der Mensch kommt zu seinem letzten Endzwecke dadurch, daß er Gott erkennt und liebt; während die anderen Kreaturen an der Ähnlichkeit mit Gott teilnehmen, insoweit sie sind, leben oder auch sinnlicherweise erkennen.
c) Damit erledigen sich die Einwürfe; denn Seligkeit will besagen Erreichung des letzten Endzweckes.
