Dritter Artikel. Die Güte des Willens hängt von der Vernunft ab.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Das Frühere hängt nicht ab von dem, was später ist. Das Gute aber gehört an erster Stelle zum Willen; und erst auf Grund dessen zur Vernunft. Also das Gute im Willen hängt nicht ab von der Vernunft. II. Aristoteles schreibt (6 Ethic. 2.): „Die Güte der auf das Thätigsein nach außen hin gerichteten Vernunft ist das Wahre, was dem rechten Begehren gleichförmig ist.“ Das rechte Begehren aber ist der gute Wille. Also hängt die Güte der genannten praktischen Vernunft vielmehr vom Willen ab wie umgekehrt. III. Die bewegende Kraft hängt im Bewegen nicht von dem ab, was in Bewegung ist; sondern umgekehrt. Der Wille aber ist die bestimmende und bewegende Kraft für die Vernunft und die anderen Seelenkräfte. Auf der anderen Seite fagt Hilarius (10. de Trin.): „Unmäßig ist jedes Festhalten an dem einmal Gewollten, wo keine Unterwürfigkeit des Willens unter die Vernunft besteht.“ Die Güte des Willens aber besteht eben darin, daß der Wille das Maß einhalt. Also hängt sie von der Vernunft ab.
b) Ich antworte, die Güte des Willens hänge recht eigentlich vom Gegenstande ab. Der Gegenstand aber wird dem Willen vorgelegt durch die Vernunft; denn ein Gut der Vernunft ist der Gegenstand des Willens, der ihm entspricht. Das sinnliche oder eingebildete Gute aber entspricht nicht der Natur des Willens, sondern dem sinnlichen Begehren. Denn der Wille kann streben nach dem allgemeinen allumfassenden Gute, wie es die Vernunft erfaßt; während das sinnliche Begehren nur nach einem beschränkten Gute strebt, soweit dies die sinnliche Auffasfungskraft bedingt. Also wie die Güte des Willens vom Gegenstande abhängt, in der gleichen Weise hängt sie ab von der Vernunft.
c) I. Gut als Gut, d. h. als Erstrebenswertes, gehört in erster Linie dem Willen an; insoweit es aber etwas Wahres ist, gehört es der Vernunft an. Da also der Wille nicht nach dem Guten als dem Erstrebenswerten verlangen kann, ehe es von der Vernunft aufgefaßt ist, so hängt der Wille von der Vernunft ab. II. Aristoteles spricht hier vom praktisch thätigen Verstande, insoweit derselbe berät und erwägt das, was zum Zwecke dient; und so wird der Verstand vervollkommnet durch die Klugheit. Bei dem Zweckdienlichen aber besteht die Geradheit des Verstandes in der Gleichförmigkeit mit dem Begehren nach dem gebührenden Zwecke. Jedoch setzt wieder das Begehren nach dem gebührenden Zwecke voraus die richtige Auffassung des Zweckes, also die Wirksamkeit der Vernunft. III. Der Wille setzt in Thätigkeit in seiner Weise die Vernunft und die Vernunft bewegt in ihrer Weise den Willen; vgl. Kap. 9, Art. 1.
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