Zehnter Artikel. Der Wille des Menschen muß im gewollten Gegenstande dem göttlichen gleichförmig sein, damit er als gut bezeichnet werden könne.
a) Das scheint über die Kraft des Menschen hinauszugehen. Denn: I. Wir können nicht wollen, was wir nicht kennen; Gegenstand nämlich des Willens ist das aufgefaßte Gute. Was aber Gott will, das wissen wir in den meisten Fällen nicht. II. Gott hat den Willen, jemanden ewig zu verdammen, von dem er voraus weiß, er werde im Stande der Todsünde sterben. Müßte also des Menschen Wille mit dem göttlichen gleichförmig sein im gewollten Gegenstande, so wäre der Mensch gehalten, seine eigene Verdammnis zu wollen. III. Niemand ist gehalten, etwas zu wollen, was gegen die schuldige Ehrfurcht sich richtet. Gott aber z. B. will, daß der Vater irgend einer Person sterbe; was, wenn die letztere Person das Nämliche wollte, gegen die schuldige Ehrfurcht wäre. Also. Auf der anderen Seite sagt: IV. die Glosse zu Ps. 32.: Rectos decet collaudatio aus Augustin: „Ein gerades Herz hat jener, der da will das, was Gott will.“ Jeder soll aber ein gerades Herz haben. V. Die bestimmende Form des Willens geht vom Gegenstande aus, wie auch die eines jeden Aktes. Soll also der Mensch seinen Willen dem Gottes gleichförmig machen, so kann dies nur eine Gleichförmigkeit sein von seiten des gewollten Gegenstandes. VI. Der Widerstreit der Willenskräfte besteht darin, daß die einen unter den Menschen nicht denselben Gegenstand wollen wie die anderen. Wer aber im Widerstreite ist mit dem göttlichen Willen, hat einen schlechten Willen. Wer also seinen Willen mit Rücksicht auf den gewollten Gegenstand dem göttlichen nicht gleichförmig macht, dessen Wille ist schlecht.
b) Ich antworte, der Wille richte sich auf seinen Gegenstand, inwieweit dieser vermittelst der Vernunft vorgestellt wird. Nun trifft es sich, daß ein Gegenstand in verschiedener Weise von der Vernunft betrachtet werden kann, so daß derselbe unter dem einen Gesichtspunkte sich als ein Gut herausstellt, unter einem anderen Gesichtspunkte aber nicht als ein Gut. Will sonach der Wille irgend jemandes jenen Gegenstand nach der Seite hin wo derselbe ein Gut ist, so ist dieser Wille gut; — und der Wille eines anderen, der da jenen Gegenstand nicht will nach der Seite hin wo er vom Übel erscheint, ist ebenfalls gut. So hat der Richter einen guten Willen, wenn er die Tötung des Räubers will, denn dieselbe ist gerecht; — und des Sohnes oder der Gattin Wille, der diese Tötung nicht will, ist ebenfalls gut nach der Seite hin, daß gemäß der Natur eine solche Tötung ein Übel ist. Da nun der Wille nachfolgt der Auffassung der Vernunft, so ist, je nachdem der Gesichtspunkt des Guten, unter welchem die Auffassung sich vollzieht, ein weiterer und allgemeinerer ist, auch der Wille auf ein weiteres und umfassenderes Gute gerichtet. Dies erhellt im gegebenen Beispiele. Denn den Richter beseelt die Sorge für das Beste der Gesamtheit, nämlich für die Gerechtigkeit; und deshalb will er die Tötung des Räubers, die den Charakter des Guten trägt gemäß der Beziehung zur Gesamtheit. Die Gattin des Räubers aber hat vor sich das Privatbeste der Familie; und danach will sie, daß ihr Mann nicht getötet werde. Das Beste der Gesamtheit des All aber ist jenes Gut, welches Gott erfaßt, der das All geschaffen hat und regiert. Was auch immer also Er will, das will Er unter dem Gesichtspunkte des allgemeinen Besten, seiner Güte nämlich, die da ist das Beste des gesamten All. Dagegen richtet sich die Auffassung des Geschöpfes gemäß seiner Natur auf ein zu dieser beschränkten Natur in einem gewissen Verhältnisse stehendes besondere Gut. Nun trifft es sich bisweilen, wie in dem angezogenen Beispiele, daß etwas wohl ein Gut ist gemäß einer solchen befonderen Auffassung, welche auf das Beste für eine beschränkte Natur geht; und daß dieses selbe nicht ein Gut ist gemäß der Auffassung, weche das Beste des gesamten All zum Gegenstande hat. Und eben deshalb geschieht es zudem, daß ein Wollen gut ist, soweit es von einer besonderen Seite her, unter einem beschränkten Gesichtspunkte, auf etwas sich richtet; und daß dieses selbe Gott nicht will, der das Beste der Gesamtheit zum Gegenstande hat. Demgemäß also können verschiedene Willenskräfte verschiedener Menschen gut sein; und doch kann der eine das Gegenteil wollen von dem,was der andere will, insoweit sie unter verschiedenen, im besonderen einander entgegengesetzten Gesichtspunkten wollen, daß dieses sei oder daß dieses selbe nicht sei. Der Wille des einzelnen Menschen aber, der da ein besonderes Gut will, ist nicht recht oder gerade, wenn er nicht dieses Gut in Beziehung setzt zum Guten der Allgemeinheit wie zu seinem schließlichen Zwecke; denn auch das Begehren oder die Hinneigung eines jeden Teiles leitet sich hin zum allgemeinen Besten des Ganzen. Der bestimmende formale Grund aber, weshalb etwas gewollt wird, ist dem Zwecke entnommen, zu dem es als zweckdienlich in Beziehung steht. Soll demnach jemand in der rechten, angemessenen Weise ein besonderes Gut wollen, so darf dieses besondere Gut nur gewollt sein (materialiter) gleichsam als bestimmbarer Stoff, der seiner weiteren Bestimmung harrt, als Teil, der zum Ganzen Beziehung hat; — das Beste der Gesamtheit aber, sowie es Gott vor sich hat, muß als Endzweck der bestimmende, der Formalgrund sein, weshalb ich das besondere Gut will. So also ist der menschliche Wille gehalten, im gewollten Gegenstande dem Willen Gottes gleichförmig zu sein, formaliter, soweit auch bei ihm in diesem Gegenstande das Ganze, dem derselbe dient, also das Beste der Gesamtheit, die Güte Gottes, maßgebend und bestimmend ist. Was in diesem Gegenstande den Willen endgültig bestimmt, muß der Zweck des Ganzen sein, der den Gegenstand durchdringt und ihn zu etwas Zweckdienlichem macht. Im einzelnen besonderen Gegenstande aber, der diesem Zwecke dient, also materialiter, kann je nach der verschiedenen Auffassung eine Verschiedenheit sich finden. Jedoch nach beiden Seiten hin ist doch wieder in einer gewissen Weise der menschliche Wille gleichförmig dem Gottes. Denn gemäß dem daß er dem letzteren gleichförmig ist im Wollen des allgemeinen Besten, erstreckt sich diese Gleichförmigkeit auf den letzten Endzweck; gemäß dem aber daß er im einzelnen besonderen Gute, als dem bestimmbaren Zweckdienlichen mit dem göttlichen Willen nicht gleichförmig ist, erscheint er mit demselben gleichförmig, insoweit die wirkende Ursache in Betracht kommt. Denn gerade diese ihm eigene besondere Hinneigung, welche der Natur oder der besonderen Auffassung dieses bestimmten Dinges folgt, sie hat der menschliche Wille von Gott als von der wirkenden Ursache. Deshalb ist man gewohnt, zu sagen, daß mit Rücksicht darauf der Wille des Menschen gleichförmig ist mit dem Willen Gottes, weil er das will, was Gott will, daß er wolle. Es giebt auch noch eine andere Art und Weise der betreffenden Gleichförmigkeit unter dem Gesichtspunkte der bestimmenden Formalursache; insoweit nämlich der Mensch etwas will, weil die Liebe ihn dazu bestimmt, gleichwie ja auch Gott nur aus Liebe etwas will. Diese Gleichförmigkeit, sage ich, steht ebenfalls unter dem Gesichtspunkte der Gleichförmigkeit von der bestimmenden Form aus; denn sie wird unmittelbar und einzig bemessen durch die Beziehung auf den letzten Endzweck, nicht durch die eigene Natur des Gewollten; ist doch der letzte Endzweck der eigenste Gegenstand der Liebe.
c) I. Was Gott will, können wir recht wohl wissen gemäß dem Gesichtspunkte des allgemeinen Besten. Denn wir wissen, daß Gott, was Er will, nur unter dem Gesichtspunkte des Guten will. Wer also etwas will auf Grund von irgend welchem Guten, hat, soweit es auf den Grund ankommt, weshalb das Gewollte Gegenstand des Wollens ist, seinen Willenin Gleichförmigkeit mit dem göttlichen. Was aber das besondere einzelne Gut betrifft, so wissen wir nicht, was Gott will; und mit Rücksicht darauf ist es nicht erforderlich, daß unser Wille dasselbe Einzelne gemäß der nämlichen Auffassung wolle wie Gott. In der Herrlichkeit freilich werden alle in den einzelnen Gütern, welche sie wollen werden, die Beziehung sehen zu dem, wozu Gott sie bestimmt. Sie werden da in jeder Weise, formaliter et materialiter, im bestimmenden Grunde und im bestimmbaren Zweckdienlichen, mit Gottes Willen gleichförmig sein. II. Gott will die Verdammnis keines Einzigen einzig weil Er denselben verdammen will, unter dem maßgebenden Gesichtspunkte der Verdammnis; — Er will nicht den Tod jemandes als Tod, vielmehr „will Er, daß alle Menschen selig werden.“ Er will die Verdammnis unter dem maßgebenden Gesichtspunkte der Gerechtigkeit. Mit Rücksicht darauf also genügt es, daß der Mensch wolle, die Gerechtigkeit Gottes und die in der Natur begründete Ordnung möge gewahrt bleiben. III. ist damit gelöst. IV. Derjenige will in höherem Grade das, was Gott will, der da seinen Willen mit dem Gottes gleichförmig macht mit Rücksicht auf den maßgebend bestimmenden Grund, mit Rücksicht nämlich auf den Gesichtspunkt des Gewollten, wie jener, welcher seinen Willen gleichförmig macht mit dem göttlichen nur mit Rücksicht auf die gewollte materielle Sache. Denn der Wille ist mit mehr Kraft und hauptsächlicher auf den Zweck gerichtet wie auf das Zweckdienliche. V. Bestimmende Form und Wesensgattung des Aktes wird mehr bemessen nach dem bestimmenden formalen Grunde im Gegenstande wie nach dem, was wie etwa der bloße Stoff materiell bestimmbar ist im selben Gegenstande. VI. Es besteht kein Widerstreit in den betreffenden Willenskräften, wenn Mehrere Verschiedenes wollen unter verschiedenen maßgebenden Gesichtspunkten. Wenn aber für Mehrere der maßgebend bestimmende Gesichtspunkt der nämliche wäre und trotzdem der eine das, der andere das Gegenteil davon wollte; wie wenn jemand aus Gerechtigkeit den Tod eines Menschen und der andere ebenfalls aus Gerechtigkeit das Leben desselben; — das wäre der Anlaß zu einem Widerstreite der Willenskräfte. Dies trifft jedoch im vorliegenden Falle nicht zu.
