Achter Artikel. Das Gewicht und der Umfang in der Güte oder in der Bosheit des Willens entspricht nicht dem Gewichte und dem Umfange im Guten und im Schlechten der Absicht.
a) Dies scheint jedoch trotzdem der Fall zu sein. Denn: I. Zu Matth. 12, 35.: „Der gute Mensch entnimmt dem guten Schatze seines Herzens Gutes“ bemerkt die Glosse: „So viel Gutes thut jemand als er beabsichtigt.“ Die Absicht aber verleiht den Charakter des Guten nicht allein dem äußeren Akte, sondern auch dem Willen.“ Also hat der Wille gerade so viel an Güte in sich, wie er beabsichtigt. II. Wirkt die Ursache stärker, so ist stärker die Wirkung. Das Gute in der Absicht aber ist die Ursache des guten Willens. So viel jemand also will, so sehr ist gut sein Wille. III. Wie viel jemand an Üblem zu thun beabsichtigt, so weit sündigt er. Wenn jemand z. B. mit einem Steinwurfe einen Menschen töten will, so ist er des Mordes schuldig. Ebenso also verhält es sich mit dem Guten. Auf der anderen Seite kann die Absicht gut sein und der Wille schlecht. Also kann auch die Absicht höher stehen in der Güte und der Wille minder gut sein.
b) Ich antworte, rücksichtlich des Aktes und rücksichtlich der auf den Zweck gerichteten Absicht kann ein doppelter Umfang und ein doppeltes Gewicht erwogen werden: einmal von seiten des Gegenstandes, insoweit jemand ein größeres Gut will oder bewirkt; — dann von seiten der Absicht oder des Wirkenden, insofern jemand mit größerem Eifer und gespannterer Absicht will oder wirkt. Sprechen wir also vom Gegenstande, so ist es offenbar, daß der Umfang und das Gewicht des Aktes nicht folgt dem Umfange und dem Gewichte der Absicht. Und zwar ist der Grund davon seitens des äußeren Aktes ein doppelter: Denn 1. kann der Gegenstand, der Beziehung hat zum beabsichtigten Zwecke, nicht im gehörigen Verhältnisse zu diesem Zwecke stehen; wie wenn jemand zehn Mark gäbe, er nicht seine Absicht erreichte, die dahin geht, etwas zu besitzen, was hundert Mark kostet. Und 2. können Hindernisse dazwischenkommen, deren Beseitigung nicht in unserer Gewalt steht; wie wenn jemand nach Rom gehen will und kann nicht dahin gelangen, weil er krank wird. Von seiten des innerlichen Willensaktes aber hat der letzte Grund allerdings nicht statt; denn dieser Akt ist immer in unserer Gewalt. Dafür kann aber gemäß dem erstgenannten Grunde auch der Wille einen Gegenstand wollen, der nicht im geeigneten Verhältnisse steht zum beabsichtigten Zwecke; und so ist auch der Wille, insofern er auf diesen Gegenstand an sich betrachtet sich richtet, nicht in solchem Maße immer gut, wie die Absicht stärker oder schwächer ist. Weil aber die Absicht gewissermaßen zum Akte des Willens selber gehört als bestimmender Grund desselben, deshalb fließt über der Umfang und das Gewicht der guten Absicht in den Willen, insofern nämlich der Wille ein gewisses großes Gut will als den Zweck, obgleich jenes, womit er dieses große Gut erreichen möchte, demselben nicht ebenbürtig, seiner nicht würdig ist. Wird jedoch der Umfang und das Gewicht der Absicht und des Aktes unter dem Gesichtspunkte der Absicht rücksichtlich des innerlichen Willensaktes und des äußerlichen betrachtet, so fließt das Maß der Anspannung in der Absicht über in den innerlichen und äußerlichen Akt des Willens; denn die Absicht selber steht im Verhältnisse des maßgebend bestimmenden Elementes zu beiden Seiten des Willensaktes, sie ist das Formale zu selbem. Damit bleibt allerdings bestehen, daß, wenn auch die Absicht, insoweit sie innerhalb des Willensvermögens als im Zustande des Vermögens befindlich, also als etwas Bestimmbares (materialiter) existiert, gerade (recta) ist und angespannt und sonach eindringlich bestimmen kann, trotzdem der innere oder der äußere Akt, soweit er einmal Bestand im Subjekte hat, nicht dem Grade der Anspannung und des Eifers in der Absicht immer entspricht, da letztere nicht gemäß ihrer ganzen Kraft thatsächlich einzufließen braucht. So z. B. kann jemand nicht im selben Grade und Umfange die Medizin nehmen wollen, wie er die Gesundheit, den Zweck will, obgleich dieses selber: „mit angespannter Kraft die Gesundheit wollen“ einfließt in bestimmender Weise in dieses Andere: „heil werden wollen.“ Jedoch ist dabei noch zu berücksichtigen, daß das Gewicht oder der Grad der Stärke des inneren oder äußeren Aktes auf die Absicht selber als auf den Gegenstand bezogen werden kann; wie wenn jemand seine Absicht darauf als auf den Gegenstand richtet: mit angespannter Kraft, eifrig, zu wollen oder etwas kräftig ins Werk zu setzen; — und trotzdem will er nicht mit Eifer und wirkt nicht mit Anspannung aller Kräfte; da ja dem Umfang und dem Grade des beabsichtigten Gutes, also des Gegenstandes, nicht die Güte des innerlichen oder äußerlichen Aktes folgt, wie eben gesagt worden. Und daher kommt es, daß jemand nicht in dem Grade verdient als er beabsichtigt; denn der Umfang und das Gewicht des Verdienstes besteht in dem Grade, in welchem der Akt kräftig ist. (Kap. 114, Art. 4.)
c) I. Die Glosse spricht hier mit Rücksicht auf die Meinung Gottes, der hauptsächlich die Absicht berücksichtigt. Deshalb sagt eine andere Glosse (Rhabanus): „Der Schatz des Herzens ist die Absicht, der gemäß Gott die Werke beurteilt.“ Denn die Güte in der Absicht fließt gewissermaßen über in die Güte des Willens, die den äußeren Akt vor Gott zu einem verdienstlichen macht. II. Die Güte allein in der Absicht ist nicht die ganze Ursache des guten Willens. Also folgt nicht, was der Einwurf schließt. III. Die schlechte Absicht allein genügt, daß der Wille böse sei; und deshalb ist der Wille in dem Grade böse als die Absicht schlecht ist. Der gleiche Grund kann aber nicht geltend gemacht werden mit Rücksicht auf das Gute.
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