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Ihr aber, Brüder, die ihr der Gefahr entronnen seid, nehmt den Unfall nicht allzu schwer und werdet darob nicht kleinmütig, sondern verscheucht die S. 356 Schatten der Trauer, stärkt die Seele mit mannhafteren Gedanken und nützt den Unfall aus zur Erlangung von Siegeskränzen! Denn wenn ihr unerschütterlich bleibt, werdet ihr im Glauben neu bewährt dastehen, wie echtes Gold nach der Feuerprobe leuchten, und ihr werdet auch die Schmach des Widersachers vermehren, wenn er mit seinen Anschlägen euch nicht einmal eine Träne entlocken konnte. Erinnert euch an die Standhaftigkeit Jobs! Sagt jetzt euch, was er gesprochen: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen1.“ Und niemand lasse sich durch sein Unglück verleiten, zu denken und zu sprechen, als ob nun keine Vorsehung unser Geschick bestimme; niemand klage das Walten und das Gericht des Herrn an! Vielmehr schaue man auf jenen Kämpfer und lasse von ihm sich eines Besseren belehren! Man denke doch der Reihe nach an all die Kämpfe, in denen Job siegte, mit wievielen Geschoßen er vom Teufel beschossen wurde, ohne auch nur eine tödliche Wunde zu erhalten. Der Teufel zerstörte sein häusliches Glück und sann darauf, ihn durch Unglücksbotschaften über Unglücksbotschaften niederzuschmettern. Während der erste Bote noch ein Unglück verkündete, kam schon ein zweiter und brachte die Trauerkunde von einem noch größeren Unglück. Unglück häufte sich auf Unglück, und die Mißgeschicke folgten aufeinander im Wogenlauf. Ehe die erste Träne getrocknet war, kam der Anstoß zur zweiten. Der Gerechte aber stand wie ein Fels da, der allen Stößen des Sturmes standhält, die mächtigen Wogen in Schaum auflöst, und sprach zum Herrn die schönen Worte: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; wie es dem Herrn gefallen hat, so ist es geschehen.“ Auch nicht ein Mißgeschick würdigte er der Tränen. Als dann ein Bote mit der Nachricht kam, ein heftiger Sturm habe das Haus der Freude über seinen Söhnen und Töchtern, die eben darin beim Festschmause saßen, in Trümmer gelegt2, da zerriß er nur sein Kleid, um seinem natürlichen Schmerz Ausdruck zu geben und S. 357 so zu zeigen, daß er ein Vater sei, der seine Kinder liebt. Doch kannte er auch jetzt noch in seinem Schmerze Maß und Ziel und verklärte den Vorfall mit jenen gottesfürchtigen Worten: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen; wie es dem Herrn gefallen, so ist es geschehen.“ Damit brachte er nur etwa folgendes zum Ausdruck: Ich bin Vater genannt worden, solange es der wollte, der mich zum Vater gemacht hat. Nun hat er beschlossen, mir die Krone der Nachkommenschaft wieder zu nehmen; ich bestreite ihm sein Eigentumsrecht nicht. Es geschehe, was dem Herrn gefällt; er ist Schöpfer des Geschlechtes, ich ein Werkzeug. Was soll ich, der Knecht, mich unnütz grämen und über ein Los klagen, das ich nicht ändern kann? Mit solchen Worten durchschoß der Gerechte den Teufel.
