2.
Doch was willst du mit dem Reichtum anfangen? Ein kostbares Gewand willst du um dich werfen? Es genügt dir doch ein Rock von zwei Ellen und der Überwurf eines Mantels; damit ist dein ganzer Bedarf an Kleidung gedeckt. Oder soll dir der Reichtum eine üppige Tafel decken? Ein einziges Brot reicht hin, den Magen zu füllen. Was bist du also traurig, als hättest du eine Einbuße erfahren? Etwa das Ansehen, das der Reichtum im Gefolge hat? Indes, wenn du deine Ehre nicht hinieden suchst, wirst du jene wahre, herrliche Ehre finden, die dich ins Himmelreich geleitet. — Doch Besitz von Reichtum ist an sich schon begehrenswert, auch wenn man keinen besonderen Nutzen davon hat. Daß nun das Streben nach unnützen Dingen sinnlos ist, ist allgemein zugegeben. Mag dir nun das, was ich gleich sagen will, sonderbar vorkommen, es ist gleichwohl volle Wahrheit: der Reichtum, so verteilt, wie der Herr anrät, verbleibt; zusammengehalten aber geht er auf andere über. Hütest du ihn, so wird er nicht dein bleiben; verteilst du ihn, so wirst du ihn nicht verlieren. Denn „er teilte aus und gab den Armen; seine Gerechtigkeit bleibt ewig1.“
Allein nicht der Kleider oder Nahrung wegen ist der Reichtum den meisten sehr begehrenswert; es handelt sich vielmehr um eine vom Teufel ersonnene Taktik, die die Reichen vor tausend Gelegenheiten zum Aufwande stellt, so daß sie (schließlich) das Überflüssige und Unnötige als etwas Notwendiges anstreben und nicht genug Ansprüche an das Leben machen können. Sie verteilen ihren Reichtum auf ihre augenblicklichen S. 244 und zukünftigen Bedürfnisse, bestimmen den einen Teil für sich, den andern für ihre Kinder. Sodann verteilen sie den Reichtum je nach den verschiedenen Ausgaben, die sie machen wollen. Höre einmal von ihren Verfügungen! Diese Geldsumme, sagen sie, soll aufgebraucht werden, die andere bleibe hinterlegt. Was für die Bedürfnisse aufgeht, soll natürlich die Grenze des Notwendigen überschreiten. Diese Summe sei für kostbare Ausstattung der Wohnung, jene andere Summe soll ein glänzendes Auftreten nach außen ermöglichen; diese soll den Aufwand auf Reisen bestreiten, jene soll die heimische Haushaltung glänzend und respektabel gestalten. Ich muß mich geradezu wundern, wie man auf so überflüssige Dinge kommen kann. Da stehen tausend Vehikel herum; die einen führen das Gepäck, die andern die Menschen; mit Erz und Silber sind sie beschlagen. Man hält eine Unmenge Pferde, und wie bei den Menschen führt man von ihnen nach dem Adel ihrer Väter eigene Geschlechtsregister. Die einen Pferde tragen die Lebemenschen in der Stadt herum, andere nimmt man auf die Jagd, wieder andere braucht man zur Reise. Zäume, Gürtel und Halsbehänge, alles ist silbern und vergoldet. Purpurdecken schmücken die Rosse wie Bräute. Man hält eine Menge Maultiere von verschiedenster Farbe. Dazu (kommt) ein ganzer Zug von Reitern; die einen reiten voraus, die andern folgen. Unendlich ist die Menge der übrigen Dienerschaft, die allen ihren Ansprüchen zu genügen hat: Aufseher, Verwalter, Gärtner, Berufsleute aller Art, wie sie die Notdurft des Lebens erfordert und wie sie Genuß und Wohlleben erfanden, so Köche, Bäcker, Mundschenke, Jäger, Bildhauer, Maler, Genußbereiter jedweder Art. Da sind Herden von Kamelen, die einen mit Lasten auf dem Rücken, die andern auf der Weide, Herden von Pferden und Rindern, von Schafen und Schweinen, Hirten für diese, Ländereien, die für alle diese Tiere Futter genug geben und dazu durch die Mehrerträgnisse den Reichtum vermehren. — Da gibt es Bäder in der Stadt, Bäder auf dem Lande, Häuser im Glanze von allerlei Marmor, Häuser aus phrygischem, lakonischem, tessalischem Steine, Häuser von denen die einen im Winter erwärmen, die andern im Sommer erfrischen. S. 245 Der Estrich ist mit bunten Steinen geziert; die Decke ist golden umsäumt. Soweit die Wände nicht getäfelt sind, prangen sie im Schmucke gemalter Blumen.
Ps. 111, 9 [Hebr. Ps. 112, 9]. ↩
