3.
Wenn dann der Reichtum trotz tausendfacher Verausgabung immer noch im Überflusse vorhanden ist, so wird er in die Erde verscharrt und in Geheimfächern verwahrt. Wer weiß, was die Zukunft bringt, und welch unerwartete Bedürfnisse bei uns sich einstellen! — Allerdings ist es unsicher, ob du das vergrabene Geld benötigen wirst; aber nicht ungewiß ist die Strafe für dein unmenschliches Gebaren. Da du mit tausend Einfällen deinen Reichtum nicht erschöpfen konntest, vergräbst du ihn jetzt in die Erde. Ein furchtbarer Unsinn, solange das Gold in den Bergwerken war, die Erde zu durchwühlen und, nachdem man es zu Tage gefördert, es wieder in die Erde zu vergraben! Auch, glaube ich, trifft es bei dir zu, daß du mit dem Reichtum dein Herz mitvergräbst. „Denn wo dein Schatz ist,“ heißt es, „da ist auch dein Herz1.“ Deshalb ärgern sie sich an den Geboten, die ihnen das Leben nicht lebenswert erscheinen lassen, weil sie solch unnützem Aufwande wehren. Mir scheint das Los eines solchen jungen Mannes oder seinesgleichen ähnlich zu sein dem eines Wanderers, der eine Stadt zu sehen wünscht und wacker seinen Marsch bis zu ihr fortsetzt, dann aber vor den Mauern irgendwo in einem Gasthause Halt macht und aus Scheu vor einer kleinen Anstrengung das gebrachte Opfer vereitelt und sich um den Anblick der Sehenswürdigkeiten der Stadt bringt. Diese Reichen wollen ja auch alle übrigen Gebote erfüllen, nur auf den Reichtum wollen sie nicht verzichten. Ich kenne viele, die fasten, beten, seufzen, alle Werke der Frömmigkeit üben, soweit sie mit keinen Kosten verbunden sind, die aber Notleidenden auch keinen Heller geben. Was nützt solchen ihre sonstige Tugendhaftigkeit? Das Himmelreich nimmt sie nicht auf. „Denn es ist leichter,“ heißt es, „daß ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als ein Reicher in das S. 246 Himmelreich2.“ So deutlich dieser Ausspruch auch ist, und so wahrhaftig der, der ihn getan, es sind doch nur wenige, die auf ihn horchen. Ei, wie sollen wir denn leben, entgegnen sie, wenn wir alles verlassen? Und wie wird es in der Welt aussehen, wenn alle verkaufen und alle das Ihrige verlassen? Frag mich nicht nach dem Sinne der Gebote des Herrn! Der Gesetzgeber weiß auch das (scheinbar) Unmögliche mit dem Gesetze in Einklang zu bringen. Dein Herz wird aber wie auf einer Wagschale geprüft, ob es zum wahren Leben oder zum gegenwärtigen Genusse hinneigt. Die vernünftig denken, müssen zur Ansicht kommen, daß sie den Reichtum zu verwalten haben, nicht zu genießen; sie entäußern sich seiner und freuen sich dabei, wie wenn sie fremdes Gut weggäben, und werden nicht traurig, als verlören sie ihren Besitz. Warum bist du also traurig? Warum schmerzt es dich, zu hören: „Verkaufe, was du hast3?“ Wenn die zeitlichen Güter dir ins andere Leben nachfolgten, so dürftest du auch dann nicht ängstlich um sie besorgt sein, weil sie von den dortigen Herrlichkeiten verdunkelt würden. Wenn der Reichtum aber hier zurückbleiben muß, warum sollen wir ihn dann nicht veräußern und den Erlös daraus mitnehmen? Du trauerst doch auch nicht, wenn du Gold hingibst und dafür ein Pferd bekommst; gibst du aber Vergängliches hin und empfängst dafür das Himmelreich, dann weinst du, weisest den Bittsteller ab und verweigerst die Gabe, indes du auf tausend Gelegenheiten zu Ausgaben sinnst.
