7.
Betrachte doch, o Mensch, das Wesen des Reichtums! Was bewunderst du so sehr das Gold? Stein ist das Gold, Stein ist das Silber, Stein die Perle, Steine sind der Chrysolith, Beryll, der Achat, der Hyazinth, Amethyst und Jaspis. Das sind die Blüten des Reichtums, von denen du die einen so versteckst und verbirgst, daß Finsternis den Glanz der Steine verhüllt, die andern herumträgst und mit ihrem Juwelenglanz prunkst. Sage mir, was nützt es dich, die von Steinen funkelnde Hand umzudrehen? Schämst du dich nicht, wie schwangere Frauen nach Steinen zu gelüsten? Diese nagen ja an Steinen, und du bist lüstern nach den schönsten Steinen, dem Sardonyx, Jaspis, Amethyst. Welcher Stutzer könnte seinem Leben auch nur einen Tag hinzufügen? Wen hat je der Tod des Reichtums S. 253 wegen verschont? Wen befiel des Geldes wegen keine Krankheit? Wielange noch ist das Gold der Henkerstrick der Seelen, der Angelhaken des Todes, der Köder der Sünde? Wielange noch ist der Reichtum die Veranlassung zum Kriege, wie lange noch ist er es, der die Waffen schmiedet, die Schwerter schärft? Seinetwegen verleugnen Verwandte die Natur, sehen sich Brüder mordgierig an. Wegen des Reichtums gibt es in den Einöden Mörder, auf dem Meere Seeräuber, in den Städten falsche Denunzianten. Wer ist der Vater der Lüge, wer ist schuld an den falschen Anklagen, wer Verführer zum Meineide? Nicht der Reichtum? Nicht die Begierde nach ihm? Was habt ihr durchzumachen, arme Menschen? Wer hat euren Besitz zum Motiv, euch nachzustellen, verkehrt? Das Geld soll zum Unterhalt des Lebens dienen; nicht ist es euch als Mittel zu Missetaten in die Hand gegeben. Ein Lösegeld der Seele soll es sein, nicht aber Führer zum Verderben.
Allein der Reichtum ist notwendig der Kinder wegen. — Das ist nur ein beschönigender Vorwand der Habsucht; die Kinder schützt ihr vor, und eures Herzens Lust befriedigt ihr. Schieb’ nicht die Schuld auf den Unschuldigen! Er hat seinen eigenen Herrn, seinen eigenen Verwalter; von einem andern hat er das Leben erhalten, von ihm erwartet er auch seinen Lebensunterhalt. Ist etwa für die Verheirateten das Evangelium nicht geschrieben: „Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkauf’ alles, was du hast, und gibt es den Armen1“? Als du den Herrn um eine zahlreiche Nachkommenschaft batest, als du Vater von Kindern zu werden begehrtest, fügtest du da etwa bei: Gib mir Kinder, damit ich nicht in den Himmel komme?. Und wer wird denn für den Willen des Sohnes bürgen, daß er die geerbten Güter wohl gebraucht? Denn schon bei vielen ist der Reichtum Wegbereiter zur Zügellosigkeit geworden. Hörst du nicht, was der Prediger sagt: „Ich habe ein schreckliches Unheil gesehen, Reichtum aufbewahrt dem Kinde, ihm zum Verderben2.“ Und S. 254 wiederum: „Ich hinterlasse ihn dem Menschen nach mir. Und wer weiß, ob er töricht oder weise sein wird3?“ Hab’ also acht, daß du nicht in dem mit tausend Mühen aufgehäuften Reichtum andern Stoff zu Sünden gibst, wofür du dich dann doppelt bestraft sähest: einmal für das Unrecht, das du selbst verübt, sodann für das, wozu du anderen verholfen hast. Steht dir deine Seele nicht näher als jedes Kind? Steht sie dir nicht näher als alles? Weil sie nun dir zunächst steht, so gib ihr auch das beste Erbe, gib ihr reichlichen Lebensunterhalt, und dann verteile den Rest unter die Kinder! Haben doch auch solche Kinder, die von den Eltern nichts vererbt haben, oft selbst sich Häuser gebaut. Wer aber wird sich deiner Seele erbarmen, wenn du selbst sie vernachlässigst?
