29.
1. Mit Recht ermahnt also auch der Apostel: „Berauscht euch nicht an Wein, womit viel Liederlichkeit verbunden ist!“, 1 indem er auf die Heillosigkeit (τὸ ἄσωστον) der Trunkenheit durch das Wort Liederlichkeit (ἀσωστία) hinwies. 2 Denn wenn auch der Herr bei der Hochzeit das Wasser zu Wein gemacht hat, 3 so erlaubte er doch nicht, daß man sich berauschte; vielmehr machte er die kraftlose (wörtlich: wässerige, durch Wasser verdünnte) Sinnesart, die seit Adam das Gesetz zu erfüllen strebte, lebenskräftig, indem er die ganze Welt mit dem Blute des Weinstocks erfüllte und den Trank der Wahrheit, die Mischung des alten Gesetzes und der neuen Lehre, zur Vollendung der durch die Frömmigkeit schon im voraus versöhnten Zeit darbot. Die Schrift nannte also den Wein als geheimnisvolles Sinnbild des heiligen Blutes, aber die von dem Wein zurückbleibende schale Neige rügte sie mit den Worten: „Etwas Zügelloses ist der Wein, und etwas Gewalttätiges die Trunkenheit.“ 4
2. Die richtige Vernunft ist also damit einverstanden, daß man im Winter wegen der Kälte trinkt, bis man nicht mehr friert, soweit man nämlich leicht friert, zur anderen Zeit aber, um den Magen damit in Ordnung zu bringen. Denn wie man Speisen zu sich nehmen soll, um nicht zu hungern, so auch Getränke, um nicht zu dürsten, wobei man sich sorgfältig vor der damit verbundenen Gefahr hüten muß; 5 denn gar sehr gefährlich ist das heimliche Eindringen (des übermäßigen Genusses) des Weins.
3. So kann auch unsere Seele rein und trocken und lichtartig bleiben; „ein Lichtstrahl ist aber eine trockene Seele als die weiseste und beste.“ 6 Deshalb ist sie auch zum Schauen geschickt und ist nicht feucht, so daß sie durch die von dem Wein aufsteigenden Dämpfe einer Wolke gleich ein körperliches Wesen geworden wäre.
