15.
Frage: Was bedeutet das Wort: „Ein Weib, das mit unverhülltem Haupte betet“1?
Antwort: Zur Zeit der Apostel trugen die Weiber statt einer Kopfhülle aufgelöstes Haar. Deshalb sind Christus und die Apostel in die Welt gekommen und haben sie Zucht gelehrt. Indes ist das Weib zu einem Typus der Kirche bestimmt. Wie in jener Zeit die Weiber äußerlich statt einer Kopfhülle aufgelöstes Haar trugen, so bekleidet und umhüllt auch die Kirche ihre Kinder mit göttlichen, von Herrlichkeit erfüllten Gewändern. In der alten Zeit der Kirche war Israel die einzige Gemeinde, die vom Geiste beschattet wurde. Statt der Herrlichkeit waren sie (= die Israeliten) mit dem Geiste bekleidet, obgleich sie selbst nicht „[nach dem Geiste] wandelten“2. Der Ausdruck Kirche wird sowohl auf viele wie auf eine einzige Seele angewendet3. Denn gerade die Seele versammelt [in sich] alle Gedanken und ist eine Gotteskirche. Die Seele ist ja zur Gemeinschaft mit dem himmlischen Bräutigam S. 109 geeignet, sie vermischt sich4 mit dem Himmlischen. Das gilt von vielen wie von jedem einzelnen. Denn der Prophet sagt auch von Jerusalem: „Ich habe dich verlassen und nackt gefunden und habe dich bekleidet“5 usw., wie wenn er nur von einer einzigen Person redete.
1 Kor. 11, 5. ↩
Gal. 5, 25. ↩
Stiglmayr (Sachl. und Sprachl. b. Mak. S. 442) macht darauf aufmerksam, daß diese Auffassung von der doppelten Kirche (Kirche = Gesamtheit der Gläubigen und jede einzelne sündenreine Seele) bereits Methodius von Olymp (Conv. 3, 8 Migne, P. G. XVIII 73 D) vertritt. ↩
Siehe h. 4, 9 1. ↩
Vgl. Ez. 16, 5. 7. 10 ff. ↩
