1.
Wie hat euch der Morgentisch (meines Vortrages) gefallen? Mir ist nämlich der Gedanke gekommen, meine Leistung mit dem guten Willen eines armen Gastgebers vergleichen zu dürfen, der gern eine gute Tafel vorsetzen möchte, aber aus Mangel an köstlichen Gerichten in übertriebener Weise auf die ärmliche Aufmachung der Tafel es absieht und damit seine Gäste nur ärgert und sich mit seinem Ehrgeize den Vorwurf der Albernheit zuzieht. Derartig ist wohl auch unsere Leistung; ihr müßtet nur etwa anders urteilen. Doch sei dem, wie ihm wolle, wenn ihr uns nur nicht verachtet. Verschmähten doch auch den Elisäus seine Zeitgenossen nicht als schlechten Gastgeber, obschon er seine Freunde nur mit wilden Kräutern bewirtete1.
Ich kenne die Gesetze der Allegorese, obschon ich sie nicht aus mir selbst geschöpft habe, auf die ich vielmehr in den Arbeiten anderer gestoßen bin. Sie nehmen die Schriftworte nicht in ihrem gewöhnlichen Sinne und nennen Wasser nicht Wasser, sondern verstehen darunter S. 140 irgendeine andere Natur; auch Pflanze und Fisch deuten sie willkürlich, verdrehen und deuten auch die Entstehung der kriechenden und anderen Tiere ganz nach ihrem Geschmacke, wie die Traumdeuter die Traumerscheinungen ganz nach ihrem Kopfe auslegen2. Wenn ich aber von Gras höre, dann denke ich an Gras, und Pflanze, Fisch, Wild, Haustier, überhaupt alles verstehe ich so, wie das Wort besagt. „Ich schäme mich doch des Evangeliums nicht3.” Die Kosmographen haben ja freilich viel über die Gestalten der Erde sich gestritten, ob sie eine Kugel sei4, ein Cylinder5 oder einer Wurfscheibe (Diskus) gleich und auf allen Seiten gleichmäßig abgerundet6, oder ob siebkorbartig und in der Mitte hohl - auf all diese Hypothesen sind die Kosmographen verfallen, ein jeder zur Widerlegung des andern. Aber das kann mich doch nicht dazu verleiten, unseren Weltschöpfungsbericht geringschätziger zu beurteilen, weil der Diener Gottes7 nichts von den Gestalten meldet noch sagt, daß der Umfang der Erde einhundertachtzigtausend Stadien betrage, auch nicht angibt, wie weit ihr Schatten reiche, wenn die Sonne unterhalb der Erde sich bewegt, noch wie dieser die Mondfinsternisse verursacht, wenn er den Mond trifft. Wenn er nun das, was für uns belang- und nutzlos ist, verschwiegen hat, soll ich deshalb die Offenbarungen des Geistes geringer werten als die törichte Weltweisheit? Oder soll ich nicht vielmehr den preisen, der unsern Geist mit eitlen Dingen verschonen wollte und nur das aufschreiben ließ, was zur Erbauung und Läuterung unserer Seelen dient? Das scheinen mir die nicht bedacht zu haben, die mit absonderlichen, und bildlichen Auslegungen aus ihrem Kopfe den Schriftworten etwas Ansehen zu geben versuchten. Doch so handelt nur, S. 141 wer sich selber weiser dünkt als die Worte des Geistes und unter dem Vorwande der Exegese seine eigenen Meinungen hereinschmuggelt. Man nehme sie so, wie sie geschrieben stehen!
