XI. Kapitel: Von Cerbonius, Bischof von Populonia
Ferner gab auch Cerbonius,1 Bischof von Populonia,2 ein Mann von ehrwürdigem Wandel, in unseren Tagen einen großen Beweis von seiner Heiligkeit. Da er nämlich sehr gerne Gastfreundschaft übte, nahm er eines Tages durchziehende Soldaten bei sich auf und versteckte sie vor den Goten, die gleich nach ihnen ankamen; dadurch beschützte er ihr Leben vor der Bosheit dieser. Als hiervon der ketzerische Gotenkönig Totila benachrichtigt wurde, geriet er in eine wahnsinnig grausame Wut; er ließ den Bischof nach Merulis, wo er sich gerade aufhielt, acht Meilen von der Stadt bringen, um ihn zu einem Schaustück des Volkes den Bären zum Fraße vorwerfen zu lassen. Da der ketzerische König selbst dem Schauspiel beiwohnte, um sich den Tod des Bischofs anzusehen, strömte eine Menge Volkes zusammen. Der Bischof wurde in die Mitte geführt und zu seinem Tode ein ganz wilder Bär ausgesucht, damit er durch das grausame Zerfleischen der menschlichen Glieder den Zorn des wütenden Königs besänftige. Der Bär wurde aus seinem Zwinger herausgelassen; er ergrimmte und stürzte sofort auf den Bischof zu, aber plötzlich vergaß er seine Wildheit, beugte den Nacken, senkte demütig seinen Kopf und leckte dem Bischof die Füße, damit so alle deutlich erkennen konnten, wie gegen diesen Mann Gottes die Herzen der Menschen wild und die der wilden Tiere menschlich waren. Da gab das Volk, das zum S. 123 Todesschauspiel gekommen war, in lauten Rufen seiner ehrfurchtsvollen Bewunderung Ausdruck; da ließ sich auch selbst der König zur Ehrfurcht gegen ihn bewegen; denn durch ein höheres Urteil geschah es, daß er sich von einem wilden Tiere zur Sanftmut führen ließ, nachdem er vorher Gott nicht hatte folgen wollen, um den Bischof am Leben zu erhalten. Es sind noch einige am Leben, die bei diesem Vorgang zugegen waren und die bezeugen, daß sie das mit dem ganzen Volke gesehen haben. Von demselben Mann hat mir der Bischof Venantius von Luni noch ein anderes Wunder erzählt. Er ließ sich nämlich in seiner bischöflichen Kirche zu Populonia ein Grab bereiten. Als aber das Langobardenvolk nach Italien kam und alles verwüstete, zog er sich auf die Insel Elba zurück. Von einer Krankheit befallen, kam er zum Sterben und befahl seinen Klerikern und Untergebenen: „Leget mich in das Grab, das ich mir in Populonia hergerichtet habe!” Da entgegneten sie ihm: „Wie können wir deinen Leib dorthin bringen, da doch, wie wir wissen, die Langobarden jene Gegend besetzt haben und überall umherstreifen?” Er aber antwortete: „Bringet mich ruhig dorthin und fürchtet euch nicht; traget aber Sorge, mich rasch zu begraben; und sobald mein Leib bestattet ist, verlasset in aller Eile den Ort!” Nach seinem Hinscheiden trugen sie den Leichnam auf ein Schiff, und als sie nach Populonia fuhren, umwölkte sich der Himmel und es ging ein gewaltiger Regen nieder. Damit aber allen kund wurde, welch ein heiliger Mann der war, dessen Leiche das Schiff trug, fiel auf der ganzen Meeresstrecke, die von der Insel Elba bis Populonia zwölf Meilen beträgt, auf das Schiff selbst auch nicht ein Regentropfen, während es zu beiden Seiten des Schiffes in Strömen regnete. Die Kleriker gingen in die Stadt und begruben die Leiche ihres Bischofs. Seinem Befehle nachkommend, kehrten sie eilends zum Schiffe zurück. Und kaum hatten sie es besteigen können, als Gummarith, der grausame Langobardenherzog, dorthin S. 124 kam, wo der Mann Gottes eben begraben worden war. Aus seiner Ankunft ging hervor, daß der Mann Gottes den Geist der Weissagung besaß, als er seinen Dienern befahl, die Begräbnisstätte eilig zu verlassen.