XXXVI. Kapitel: Von Maximian, Bischof von Syrakus
Gregorius. Ich meine, ich darf auch das Wunder nicht übergehen, das der allmächtige Gott an seinem Diener Maximianus, jetzt Bischof von Syrakus, damals aber Abt meines Klosters, zu erweisen sich gewürdigt hat. Während ich nämlich auf Befehl meines Papstes als Apokrisiar am Hofe zu Konstantinopel weilte, reiste eben dieser ehrwürdige Maximian, weil die Liebe es forderte, mit Brüdern zu mir. Als er sich wieder auf der Rückreise in mein Kloster nach Rom befand, wurde er im Adriatischen Meer von einem furchtbaren Sturme überrascht und erfuhr auf außerordentliche Weise und durch ein ungewöhnliches Wunder an sich und an allen seinen Reisegefährten sowohl den Zorn als auch die Huld des allmächtigen Gottes. Das von dem heftigen Sturm aufgepeitschte Meer raste zu ihrem tödlichen Verderben: das Schiff verlor das Steuerruder, der Mastbaum brach, die Segel wurden in die Flut geweht, der ganze Rumpf des Schiffes wurde durch den fürchterlichen Anprall der Wogen erschüttert und ging aus den Fugen. Das Wasser drang durch die offenen Spalten ein und füllte das Schiff bis zu dem oberen Deck, so daß nicht so fast das Schiff in den Wellen als vielmehr die Wellen im Schiff zu sein schienen. Da wurden alle, die sich auf dem Schiff befanden, durch den Tod, der nicht mehr bloß nahe, sondern schon da war und ihnen vor Augen stand, in Schrecken versetzt. Sie gaben sich einander den Friedenskuß und empfingen den Leib und das Blut des Erlösers; alle empfahlen sich Gott und baten, er möge ihre Seelen gnädig aufnehmen, nachdem er ihre Leiber einem so schrecklichen Tod überantwortete. Aber der allmächtige Gott, der ihre Seelen wunderbar in Angst versetzte, erhielt sie noch wunderbarer am Leben. Denn acht Tage lang hielt sich das bis zum Oberdeck mit Wasser angefüllte Schiff über den S. 175 Wellen, behielt seinen Weg bei und lief am neunten Tage in den Hafen der Stadt Kroton1 ein. Alle Reisegenossen des genannten ehrwürdigen Mannes stiegen wohlbehalten ans Land, und nachdem er selbst als Letzter ausgestiegen, versank das Schiff in die Tiefe des Hafens, als ob ihm durch das Aussteigen jener Männer nicht eine Last, sondern eine Erleichterung benommen worden wäre. Und so geschah es, daß das Schiff, das voll Menschen gewesen war und dazu auf dem Meer das Wasser getragen hatte und geschwommen war, jetzt, nachdem Maximian und seine Brüder es verlassen, das Wasser ohne die Menschen im Hafen nicht mehr tragen konnte. Dadurch wollte der allmächtige Gott zeigen, daß er mit seiner Hand das beladene Schiff gehalten hat, das von Menschen leer und verlassen sich nicht mehr auf dem Wasser halten konnte.
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jetzt Cotrone im Meerbusen von Tarent ↩