9.
Unglückliche, was tust du? Wahnwitzige, worüber freust du dich? Das ist nicht Friede, sondern Krieg. Das ist nicht ein Kuß, sondern ein Gifttrank. Es ist entsetzlich! Du umarmst Glieder, auf denen noch der Rauch des verbrannten Opfertieres ruht; du trocknest mit deinem Fleisch die Feuchtigkeit des Dunstes der schmutzigen Altäre ab; du scherzest, du liebkosest, du gibst Gewährung. Und wenn gelegentlich von einem Heidenpriester ein Stück von der feierlichen Opferfeier in Empfang genommen und ins Haus gebracht wurde, nimmst du es in Empfang, verwahrst es und bewahrst es auf. Außerdem nimmst du zugleich mit dem Gatten die Speise ein, leerst mit den Lippen schlürfend die letzten Tropfen des dir zugetrunkenen Bechers und weihest gleichsam schonnwieder einen ersten Schluck des nächsten mit deinen Wünschen ein. So nimmst du vollständig und willig den ganzen Geist der Ungerechtigkeit durch deinen Galten in dich auf: der Unselige ist mehr in dir, als er im Tempel zurückgeblieben ist. 1 Nimmst du dich aber in acht und hältst du dich zurück, so wird dein Gatte der Ansicht sein, daß das nicht aus Liebe zur göttlichen Religion, sondern aus Sehnsucht nach irgendeinem andern zur Schändung seiner Ehre geschieht, und er wird die Tugend der Reinheit und Glaubenstreue zu einem Verbrechen stempeln. Gibt es denn etwas Böses, was ein Mann nicht argwöhnt, nicht durchführt, der den grausamen Göttern, den ehebrecherischen Göttern dient? Fliehe daher, Jungfrau, fliehe, Witwe, solche Ehen! Es gibt schlechthin für S. 111 dich keine Entschuldigung. Kannst du nicht enthaltsam leben, so vervielfältige wenigstens deine Hochzeiten nicht: sonst kannst du an jenem Tag der Auferstehung unter der großen Zahl der Ehemänner nicht mehr feststellen, wessen Gattin du gewesen bist, Sei keine Gottesräuberin: sei keine Verräterin am Gesetz! Warum solltest du einen Heiden heiraten, wenn du einen Christen heiraten kannst?
Nach der Lesart der Ballerini: Totum prorsus iniquitatis spiritum libens coneipis per maritum; infelix iam plus in te est. Die Lesart Giuliari: .,. libens coneipis; per quae maritus infelix iam plus in te est.., ist nicht begründet und widerspricht dem Sinne: infelix bezieht sich wohl auf Spiritus iniquitatis. ↩
