8.
Ich ging also von da weiter und kam nach Bethlehem, das von Jerusalem sechs Meilen, von Alexandrien sechzehn Tagereisen entfernt ist. Der Priester Hieronymus steht der dortigen Kirche vor1 , die zum Sprengel des Bischofs von Jerusalem gehört. Schon früher auf meiner ersten Wanderfahrt halte ich Hieronymus kennen gelernt. So ist es leicht verständlich, daß er die größte Anziehungskraft auf mich ausübte. Dieser Mann besitzt nicht bloß Verdienste um den Glauben und reiche Tugend, sondern ist auch im Lateinischen und Griechischen, ja sogar im Hebräischen derart bewandert, daß sich niemand mit ihm in irgendeiner Wissenschaft zu messen wagt. Ich müßte mich wundern, wäre S. 79er nicht auch euch durch seine vielen Schriften bekannt geworden, da man ihn in der ganzen Welt liest„. Da sagte Gallus: “Wir kennen ihn gut, nur zu gut; denn vor fünf Jahren habe ich ein Büchlein2 von ihm gelesen, worin er unsere ganze Mönchszunft heftig angreift und durchhechelt. Unser Belgier gerät darob hie und da in heftigen Zorn, weil er sagt, wir äßen uns gewöhnlich bis zum Erbrechen satt. Ich aber kann ihm noch verzeihen; ich denke eben, er habe sich mehr über die Mönche des Morgenlandes als des Abendlandes ausgelassen. Denn bei den Griechen ist die übermäßige Eßlust reines Gaumenkitzeln, bei uns Galliern aber Naturanlage„. Darauf entgegnete ich: “Gallus, du verteidigst geschickt dein Volk. Aber sag' mir, hat jenes Büchlein an den Mönchen nur jenes einzige Laster zu verdammen?„ “Im Gegenteil„, erwiderte er, “der Verfasser hat nichts übersehen, alles nimmt er aufs Korn, zerzaust es und deckt es schonungslos auf. Der Habsucht und ebenso der Eitelkeit rückt er besonders zu Leibe. Viel redet er über den Stolz, und über den Aberglauben auch nicht gerade wenig. Ich muß gestehen, daß ich den Eindruck bekomme, er habe die Fehler vieler zu dick aufgetragen.
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