17.
Ich besuchte auch zwei Klöster des hl. Antonius, die bis heute von seinen Schülern bewohnt werden. Auch dorthin kam ich, wo der hl. Paulus, der erste Einsiedler, gelebt hat. Ich sah das Rote Meer und die Gebirgskette des Sinai, die mit ihrer Spitze fast bis zum Himmel reicht und nicht erstiegen werden kann. Ich hatte gehört, daß sich in den dortigen Schluchten ein Anachoret aufhalte. Lange suchte ich nach ihm, konnte ihn aber nicht zu Gesicht bekommen. Fast S. 90fünfzig Jahre lebte er fern vom Verkehre mit den Menschen. Er trug kein Gewand, sondern war nur von den dichten Haaren seines Körpers bedeckt; durch Gottes Gnade wußte er nicht um seine Nacktheit. So oft ihn fromme Männer besuchen wollten, eilte er rasch an unzugängliche Orte und mied jede Begegnung mit Menschen. Nur einem einzigen soll er — es sind fünf Jahre her — eine Unterredung gewährt haben. Jener hat diese Gnade wohl durch die Kraft seines Glaubens verdient. Als er den Einsiedler unter anderm fragte, warum er die Menschen so fliehe, soll er zur Antwort gegeben haben, wer häufig von Menschen Besuch erhalte, könne nicht auf Besuche von Engeln rechnen. Deshalb bildete sich nicht mit Unrecht unter den Leuten die Meinung und ging das Gerede, jener Mönch werde von Engeln besucht.
Vom Berge Sinai ging ich wieder zum Nil zurück; ich durchwanderte auf beiden Seiten die Ufer, die mit Klöstern wie besäet sind. Oft konnte ich, wie ich schon sagte, wahrnehmen, daß an einem Orte Hunderte beieinander wohnten. Ja es ist sicher, daß selbst zwei- und dreitausend in derselben Ortschaft beisammen lebten. Ihr müßt aber nicht meinen, daß die so zahlreich zusammenlebenden Mönche jenen Grad der Tugend nicht erreicht hätten, den ihr bei denen fandet, die sich von der Gesellschaft der Menschen getrennt haben. Als vorzüglichste und hauptsächlichste Tugend gilt hier, wie ich schon sagte, der Gehorsam. Keiner, der sich zur Aufnahme meldet, wird vom Abte des Klosters aufgenommen, er wäre denn vorher auf die Probe gestellt und geprüft worden; er muß ja bereit sein, in Zukunft jeden, auch noch so harten, beschwerlichen und unerträglichen Befehl des Abtes zu erfüllen.
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