27.
Darauf meinte Gallus: "Ich bin zwar einer solchen Bürde nicht gewachsen, allein die Beispiele des Gehorsams, die Postumianus soeben angeführt hat, zwingen mich, die mir zugedachte Aufgabe nicht zurückzuweisen. Aber bei dem Gedanken, daß ich als Gallier vor Aquitaniern1 sprechen soll, überkommt mich die Furcht, mit meiner bäurischen Ausdrucksweise euer allzu feines Ohr zu beleidigen. Gleichviel, ihr werdet mir, dem gordonischen2 Manne, zuhören, der ohne eitles Phrasengeklingel redet. Habt ihr nämlich zugestanden, daß ich ein Schüler Martins bin, so müßt ihr es auch gelten lassen, daß ich, seinem Beispiel entsprechend, unnützes Wortgepränge und Redeschmuck verachte". "Sprich keltisch oder, so du lieber willst, gallisch"3 , fiel ihm da Postumianus ins Wort, "wenn du S. 102nur endlich von Martinus erzählst. Ich glaube jedoch, daß es dir, selbst wenn du stumm wärest, nicht an Worten gebräche, wenn es gilt, mit beredtem Munde über Martinus zu sprechen. Dem Zacharias löste ja auch der Name Johannes die Zunge4 . Übrigens bist du ebenfalls in der Schule gebildet und schützest nur nach Professorenart dein Unvermögen vor, wenngleich dein Mund von Beredsamkeit überfließt. Indes, für einen Mönch geziemt es sich nicht, daß er so gerieben, und für einen Gallier nicht, daß er so geistsprühend5 sei. Mach dich jetzt lieber ans Werk, komm dem nach, was dir obliegt, und erzähle. Wir vertrödeln allzu viel Zeit mit anderen Dingen. Schon mahnt der lange Schatten der untergehenden Sonne, daß die Nacht nahe und vom Tag nicht mehr viel übrig ist".
Hierauf schwiegen wir alle eine Weile. Dann hub Gallus also an: "In erster Linie muß ich mich davor in acht nehmen, das, was Sulpicius vom Tugendleben des Martinus schon in seinem Buche erzählt hat, nochmals zu wiederholen. Ich übergehe daher seine Taten als Soldat und will auch das nicht berühren, was er als Laie und Mönch getan hat. Auch werde ich nichts berichten, was ich aus anderer Leute Mund weiß, sondern nur, was ich selbst mit eigenen Augen gesehen habe.
Vgl. dazu Hieron. Ep. 125, 6. Salvian, De gubern. d. VII 2 8. ↩
Wahrscheinlich aus Castrum Gurdonis, dem heutigen Sancerre oder Gourdon bei Châlons [Longnon 218]. ↩
Keltisch und gallisch sonst gleichbedeutend; hier bedeutet keltisch wohl die alte keltische, gallisch die angenommene römische Sprache. ↩
Luk. 1, 64. ↩
Vgl. hierzu Firmic. Maternus, Mathesis [ed. Kroll et Skutsch] I, 2, 3 "Galli stolidi"; I, 2, 4 "nec Gallicam stoliditutem Mercurii sapientissimi sidus exacuet". ↩
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