19.
Was ich jetzt erzählen will, soll sich im selben Kloster erst vor kurzem ereignet haben. Wieder kam einer zu dem Abte und bat um Aufnahme. Als erstes Gesetz wurde ihm der Gehorsam vorgehalten. Jener versprach, in allen, selbst den schwierigsten Verhaltnissen S. 92immer Geduld üben zu wollen. Der Abt hielt gerade eine schon längst eingetrocknete Storaxrute in der Hand. Er steckte diese in den Boden und gab dem Ankömmling den Auftrag, die Rute solange mit Wasser zu begießen, bis das dürre Holz in dem ausgedörrten Boden zu grünen anfange, was ja den Naturgesetzen ganz widersprach. Gehorsam dem harten Befehle trug jener täglich auf seinen Schultern Wasser herbei. Man mußte es ungefähr zwei Meilen weit aus dem Nil holen. Schon war ein Jahr verstrichen, die mühsame Arbeit dauerte immer noch an; es war auch keine Aussicht, daß die Mühe Erfolg haben könne. Dennoch hielt die Kraft des Gehorsams aus bei dieser Arbeit. Auch das folgende Jahr spottete der fruchtlosen Mühe, schon wollte dem Bruder der Mut sinken. Die Zeit verging. Es war schon im dritten Jahre, der fleißige Wasserträger war bei Tag und Nacht an der Arbeit. Endlich begann das Reis zu blühen. Ich habe selbst das Bäumchen gesehen, das aus jener Rute gewachsen ist; bis heute steht es im Vorhofe des Klosters und ist mit seinen grünen Zweigen ein fortdauerndes Zeugnis für das Verdienst des Gehorsams und die Kraft des Glaubens geblieben1 . Doch der Tag ginge zu Ende, bevor ich alle verschiedenen Wunder der Reihe nach aufzählen könnte, die mir von der Tugendkraft der Mönche bekannt geworden sind.
Ein ähnliches Beispiel erzählt Cassian. De instit. coenob. IV, 24. ↩
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