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S. 100„Was sprichst du so zu mir“, entgegnete Postumianus, „als ob ich nicht der gleichen Ansicht wäre wie du und es nicht immer gewesen wäre. Solange ich lebe und vernünftig denken kann, werde ich zwar immer die Mönche Ägyptens preisen, die Anachoreten loben, die Einsiedler bewundern, aber Martinus wird dabei immer ausgenommen sein. Ich wage es nicht, ihm irgendeinen Mönch, sicherlich nicht einen Bischof, an die Seite zu stellen. Dies gesteht Ägypten und Syrien zu. Dies hat der Äthiopier erfahren, der Inder gehört, der Parther und Perser vernommen. Dies weiß Armenien1 . Dies erkennt der weltabgeschiedene Bosporus und endlich auch, wer auf den Inseln der Seligen2 oder im Eismeere3 wohnt. Um wieviel trauriger ist es mit unserem Heimatland bestellt. Es war nicht würdig, solch einen Mann zu kennen, obschon es ihn in seiner Nähe hatte. Indes, ich will dies Unrecht nicht den Laien aufbürden; die Kleriker allein, einzig die Bischöfe sind es, die ihn nicht kennen. Die Neider haben wohl ihren Grund dafür, ihn nicht kennen zu wollen; denn hätten sie seine Tugend gekannt, dann wären ihnen ihre eigenen Laster zum Bewußtsein gekommen. Ich erschaudere, wenn ich euch mitteile, was ich neulich gehört habe. Irgendein Unglücklicher sagte nämlich, du habest an manchen Stellen deines Buches gelogen. So spricht nicht ein Mensch, sondern ein Teufel. Nicht die Ehre Martins wird dadurch geschädigt, sondern man verweigert dem Evangelium damit den Glauben. Hat doch der Herr selbst bezeugt, daß alle Gläubigen solche Taten, wie sie Martinus gewirkt hat, vollbringen könnten4 . Wer daher nicht glaubt, daß Martinus dieses getan hat, glaubt auch nicht, daß Christus solches gesprochen hat. Allein diese Unglücksraben, diese erbärmlichen Wichte, diese Schlafhauben erröten vor Scham darüber, daß S. 101Martinus das getan hat, was sie nicht tun können. Darum ziehen sie es vor, seine Wunderkraft zu leugnen, statt ihr träges Unvermögen zu bekennen. Doch, wir wollen zu anderem eilen und nicht weiter von solchen Leuten reden. Fahre du lieber fort zu erzählen, was noch an Taten des Martinus übrig ist; ich sehne mich schon längst gar sehr darnach“. Da gab ich zur Antwort: „Meiner Ansicht nach ist es besser, wir wenden uns mit diesem Verlangen an Gallus. Der weiß noch manches, da ihm, dem Schüler, die Werke seines Meisters nicht unbekannt sein können. Diesen Gegendienst schuldet er billigerweise nicht bloß Martinus, sondern auch uns; denn ich habe schon ein Buch herausgegeben; du hast bis jetzt von den Orientalen erzählt. So soll denn Gallus das Gespräch unserer freundschaftlichen Unterhaltung weiterführen, er ist uns ja, wie schon gesagt, diese Gegengabe schuldig. Er wird auch Martinus zuliebe gern ohne Widerstand von dessen Taten berichten“.
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