Edition
ausblenden
De spectaculis
20
1 quam vana igitur, immo desperata argumentatio eorum, qui sine dubio tergiversatione amittendae voluptatis optendunt nullam eius abstinentiae mentionem specialiter vel localiter in scripturis determinari, quae directo prohibeat eiusmodi conventibus inseri servum dei. 2 novam proxime defensionem suaviludii cuiusdam audivi. sol, inquit, immo ipse etiam deus de caelo spectat nec contaminatur. sane, sol et in cloacam radios suos defert nec inquinatur. 3 utinam autem deus nulla flagitia hominum spectaret, ut omnes iudicium evaderemus. sed spectat et latrocinia, spectat et falsa et adulteria et fraudes et idololatrias et spectacula ipsa. et idcirco ergo nos non spectabimus, ne videamur ab illo, qui spectat omnia. 4 comparas, homo, reum et iudicem, reum, qui, quia videtur, reus est, iudicem, qui, quia videt, iudex est. 5 numquid ergo et extra limites circi furori studemus et extra cardines theatri impudicitiae intendimus et insolentiae extra stadium et immisericordiae extra amphitheatrum, quoniam deus etiam extra cameras et gradus et apulias oculos habet? erramus: nusquam et numquam excusatur quod deus damnat, nusquam et numquam licet quod semper et ubique non licet. 6 haec est veritatis integritas et, quae ei debetur, disciplinae plenitudo et aequalitas timoris et fides obsequii, non inmutare sententiam nec variare iudicium. non potest aliud esse, quod vere quidem est bonum seu malum. omnia autem penes veritatem dei fixa sunt.
Übersetzung
ausblenden
Über die Schauspiele (BKV)
20. Widerlegung des Einwandes, man dürfe den Spielen zuschauen, weil Gott sie dulde.
Wie leer, oder vielmehr wie hoffnungslos ist die Sophistik derer, welche — ohne Zweifel als bloße Ausflucht, um sich das Vergnügen nicht nehmen zu lassen — vorschützen, es komme in der Hl. Schrift keine Vorschrift einer derartigen Enthaltung speziell oder an einem bestimmten Orte vor, wodurch es dem Diener Gottes direkt untersagt würde, solchen Zusammenkünften anzuwohnen. Da habe ich nun von einem Theaterfreunde kürzlich eine ganz neue Verteidigung gehört. „Die Sonne„, sagte er, „oder vielmehr Gott selbst schaut vom Himmel herunter und wird nicht verunreinigt.“ — Fürwahr, die Sonne sendet ihre Strahlen auch in Kloaken, ohne befleckt zu werden. O, dass doch Gott gar keine Schandtaten der Menschen schaute, damit alle dem Gerichte entgingen! Indessen, er sieht auch die Räubereien, Fälschungen, Ehebrüche, Betrügereien, götzendienerischen Handlungen, sogar die Schauspiele selbst. Eben deshalb also sollen wir bei letztern nicht zuschauen, damit wir nicht von dem gesehen werden, der alles sieht. Du bringst da, o Mensch, den Richter und den Angeklagten in Vergleich, den Angeklagten, der, weil er gesehen wird, schuldig ist, und den Richter, der, weil er sieht, Richter ist! Sind wir denn auch außerhalb des Zirkus von der Raserei eingenommen, beschäftigen wir uns auch außerhalb der Gänge des Theaters mit Schamlosigkeit, mit übermütigem Gebaren außerhalb des Stadiums und mit Unmenschlichkeit außerhalb des Amphitheaters? Gott hat ja auch außerhalb der Kammern, der Sitzreihen und Schattendächer1 Augen. S. 127Wir irren uns. Was Gott einmal verdammt hat, lässt sich nie und nirgends entschuldigen. Nie und nirgends ist erlaubt, was immer und überall unerlaubt ist. Darin besteht eben die Fülle der wahren Lehre und die ihr entsprechende, nach allen Seiten hin vollkommene Sittlichkeit, die gleichmäßige Furcht und der zuverlässige Gehorsam: dass man in seiner Meinung nicht wetterwendisch und in seinem Urteile nicht wandelbar ist. Was einmal wirklich wahr, beziehungsweise falsch ist, das kann nichts anderes sein.
Apuliae sollen die im Zirkus zum Schutz gegen die Sonne ausgespannten Tücher geheißen haben. ↩