Edition
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De spectaculis
21
1 ethnici, quos penes nulla est veritatis plenitudo, quia nec doctor veritatis deus, malum et bonum pro arbitrio et libidine interpretantur: alibi bonum quod alibi malum, et alibi malum quod alibi bonum. 2 sic ergo evenit, ut, qui in publico vix necessitate vesicae tunicam levet, idem in circo aliter non exuat, nisi totum pudorem in faciem omnium intentet, ut et qui filiae virginis ab omni spurco verbo aures tuetur, ipse eam in theatrum ad illas voces gesticulationesque deducat, 3 et qui in plateis litem manu agentem aut compescit aut detestatur, idem in stadio gravioribus pugnis suffragium ferat, et qui ad cadaver hominis communi lege defuncti exhorret, idem in amphitheatro derosa et dissipata et in suo sanguine squalentia corpora patientissimis oculis desuper incumbat, 4 immo qui propter homicidae poenam probandam ad spectaculum veniat, idem gladiatorem ad homicidium flagellis et virgis compellat invitum, et qui insigniori cuique homicidae leonem poscit, idem gladiatori atroci petat rudem et pilleum praemium conferat, illum vero confectum etiam oris spectaculo repetat, libentius recognoscens de proximo quem voluit occidere de longinquo, tanto durior, si non voluit.
Übersetzung
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Über die Schauspiele (BKV)
21. Durch das Anschauen der Schauspiele wird das sittliche Gefühl abgestumpft und erstickt.
Bei der göttlichen Wahrheit aber ist alles fest und unveränderlich. Freilich die Heiden, bei welchen sich die Fülle der Wahrheit nicht findet, da der Gott der Wahrheit nicht ihr Lehrer ist, sie legen sich die Begriffe von Gut und Böse nach Gutdünken und Willkür zurecht, das eine Mal ist ihnen gut, was das andere Mal schlecht, und das eine Mal schlecht, was das andere Mal gut ist. So kommt es denn, dass derselbe Mann, der auf offener Strasse nicht einmal aus Not wegen einer Hitzblatter sein Gewand lüftet, es im Zirkus nun derart auszieht, dass er allen die Schamröte ins Gesicht treibt; dass der, welcher zu Hause die Ohren seiner jungfräulichen Tochter schon vor jedem schnöden Worte bewahrt, sie ins Theater mitnimmt zu solchen Worten und Gebärden; dass der, welcher einen, der auf der Strasse seinen Streit mit der Hand ausmachen will, zurückhält oder tadelt, im Stadium ungleich heftigeren Kämpfen Beifall zuruft, und der, dem vor dem Leichnam eines auf gewöhnliche Weise verstorbenen Menschen schaudert, im Amphitheater angefressene, zerfetzte und in ihrem Blute schwimmende Leichen mit der größten Gemütsruhe von oben herunter anschaut. Ja noch mehr, wer angeblich gekommen ist, um seine Billigung für die Bestrafung eines Mordes an den Tag zu legen, lässt nun sogar noch den Gladiator, falls derselbe keine Lust hat, durch Peitschen- und Rutenhiebe zum Morden von Menschen antreiben. Eben der nämliche, welcher jeden raffinierten Mörder dem Löwen vorgeworfen zu sehen verlangt, beantragt für einen besonders S. 128grausamen Gladiator die Freilassung und verschafft ihm die Belohnung des Hutes, dagegen den ändern, den Getöteten, begehrt er noch zur Augenweide und sieht ihn sich lieber recht in der Nähe an, nachdem er von ferne seinen Tod verlangt hat, grausamer noch, wenn er ihn nicht verlangte.