Einleitung
In Rom, wo an der Siebenzahl der Diakone am längsten festgehalten wurde, war es allmählich soweit gekommen, daß, wie übrigens auch an anderen Kirchen, die Presbyter in den Hintergrund traten. Die den Diakonen anvertraute Verwaltung des kirchlichen Vermögens, die von ihnen geleitete karitative Tätigkeit der Kirche, weitgehende Jurisdiktionsbefugnisse und Betreuung mit wichtigen persönlichen Missionen gaben diesem kirchlichen Stand eine Bedeutung, welche der des Weihegrades nicht entsprach. Es ist zu verstehen, daß die Diakone diese Entwicklung nicht ungern sahen. Nicht minder verständlich ist es aber, daß gerade im vierten Jahrhundert eine Anzahl von Synoden sich bemüht, die Unterordnung des Diakonates unter den Presbyterat wiederherzustellen. 1 Der römische Priester S. b384 Evangelus 2 erbittet sich in dieser Angelegenheit ein Gutachten vom hl. Hieronymus, das so sehr zu Ungunsten der Diakone ausfällt, daß ihr Amt im Gegensatz zur Apostelgeschichte zu einem rein sozial-karitativen herabgedrückt wird. Die Antwort bekommt dadurch eine verschärfende Note, daß Hieronymus betont, Presbyter und Bischof seien in der Urkirche nur zwei verschiedene Namen für die gleiche Sache gewesen. 3 Immerhin ergibt sich aus dem Briefe, daß er für seine Zeit die drei sakramentalen Stufen der Weihe anerkennt. Ausdrücklich behält er das Recht der Ordination dem Bischof vor. Ob dies für ihn dogmatisch begründet ist oder auf einer disziplinären Anordnung der Kirche beruht, kann hier nicht untersucht werden.
Vallarsi hat den Brief an das Ende seiner Sammlung gesetzt, weil er zeitlich nicht festzulegen ist. Da der Brief den Eindruck erweckt, als gehöre der römische Aufenthalt der Vergangenheit an, so dürfte der Brief zu Bethlehem, d.h. nach 385 geschrieben sein. 4 S. b385
So die Synoden zu Arles (314), Nicäa (325), Laodicea (um 360) und Karthago (398). ↩
Evangelus ist auch der Empfänger der ep. 73. Vielleicht ist er identisch mit dem Presbyter Evangelus, dem der Pelagianer Anianus von Celeda um 415 die Übersetzung einiger Chrysostomushomilien widmete, oder mit dem gleichnamigen und gleichzeitigen Bischof von Assuras in Nordafrika (vgl. Mansi IV 266). ↩
Über den Unterschied zwischen Episkopat und Presbyterat bei Hieronymus vgl. Sanders, Etudes sur St. Jérôme. Paris 1903, 296—344. ↩
Die Gründe, die Pronberger (87 f.) veranlassen, den Brief nahe an den Tituskommentar (386/87) heranzurücken, aber vor dessen Abfassung anzusetzen, verdienen Beachtung. Freilich müßte man dann in den Kauf nehmen, daß Hieronymus sein siebenjähriges Schweigen Rom gegenüber ausgerechnet in einer solchen Bagatellsache gebrochen hätte. Eher möchte ich dann noch den Brief in den römischen Aufenthalt selbst verlegen trotz der Bedenken aus ep. 146, 2. Er geht sofort auf die Sache ein, ohne den Versuch, zum Adressaten in ein persönliches Verhältnis zu treten. Der Empfänger könnte also mit Hieronymus zusammen in Rom gelebt und die Anfrage auf Bestellung vorgelegt haben. Dem Vertrauensmann des Papstes konnte das anmaßende Verhalten der Diakone leicht unbequem sein. Dazu kommt, und dies wäre der ausschlaggebende Grund, daß sämtliche acht neutestamentlichen Zitate in diesem Briefe (drei aus den Paulinen, die anderen aus der Apostelgeschichte und den übrigen Briefen) erheblich vom Wortlaute der Vulgata abweichen. Damit wäre an sich das Jahr 398 der äußerste Termin für die Festlegung des Briefes. Der Italatext der Paulinen lag aber bereits 385, also noch während des römischen Aufenthaltes, revidiert vor. ↩
