Einleitung
Den Briefen des heiligen Hieronymus läßt sich an zahlreichen Stellen entnehmen, daß häretische Gemeinschaften oft hundert und mehr Jahre, nachdem sie durch das kirchliche Lehramt und disziplinare Maßnahmen erledigt waren, ihren unheilvollen Einfluß noch weiter ausübten. In geheimen Schlupfwinkeln kamen ihre Anhänger zusammen und trieben in ihren Konventikeln eine fanatische Propaganda. Dies war auch der Fall bei den Montanisten. Es wäre für diese ein in seiner Wirkung kaum auszudenkender Gewinn gewesen, wenn sie eine eifrige Katholikin und Anhängerin der monastischen Bewegung von der gesellschaftlichen Stellung Marcellas für sich hätten einfangen können. Wir erfahren nun im vorliegenden Briefe, daß tatsächlich von montanistischer Seite ein solcher Versuch unternommen wurde. 1 Marcella wandte sich an den Meister, der es bei ihrem Bildungsstand zur Widerlegung für genügend hielt, auf die Torheiten der montanistischen Lehre hinzuweisen.
Der Brief stammt aus der Zeit des römischen Aufenthaltes, ohne daß eine nähere Angabe vorläge. Mit Rücksicht darauf, daß Hieronymus Marcella auf Grund ihrer Kenntnis der Schrift 2 ein eigenes Urteil zutraut, S. b143 darf man wohl an die spätere Epoche dieses Aufenthaltes denken. Damit kämen wir zu den Jahren 384 oder 385.
