Einleitung
Der vorliegende Brief griff entscheidend in das Leben unseres Heiligen ein. Auf ihn geht zuletzt die einflußreiche Tätigkeit zurück, die Hieronymus von 382 bis 384 als Sekretär des Papstes Damasus in Rom entfalten sollte, eine Tätigkeit, die weite Kreise veranlaßte, in ihm das kommende Oberhaupt der Kirche zu sehen.
Es waren die verworrenen Zustände in der Kirche zu Antiochien, auf welche der vorliegende Brief zurückgeht. Drei Bischöfe, Meletius, Paulinus und Vitalis, stritten sich um den Bischofsstuhl der alten Seleukidenstadt. Hieronymus hielt es mit keinem von ihnen, sondern pflegte nur Kirchengemeinschaft mit den nach Diocaesarea verbannten ägyptischen Bekennerbischöfen. 1 Trotz seiner Zurückhaltung wurde er in den Wirbel der theologischen Streitigkeiten hineingezogen, der sich im wesentlichen auf eine mangelnde Festlegung der theologischen Terminologie zurückführte. Es ging um die Trinitätslehre. Die Meletianer hatten sich auf die von den Kappadokiern geprägten Begriffe οὐσία (Natur, Wesenheit) und ὑπόστασις (Person) festgelegt. Für Hieronymus waren mit den Altnicäern und den Vertretern der profanen Schulen die beiden Worte identisch. Während er vermutete, daß die Meletianer S. b81 den Arianismus wieder in die Kirche einschmuggeln wollten, ziehen ihn diese des Sabellianismus, der nur eine, in verschiedenen Rollen auftretende göttliche Person anerkannte.
Von überraschender Klarheit sind die dogmatischen Ausführungen in diesem Briefe. Pronberger erhebt den Vorwurf, 2 daß Hieronymus die meletianische Unterscheidung von Usie und Hypostase nicht recht verstand. Er übersieht doch wohl zu sehr, daß unser Kirchenvater für die traditionelle Terminologie gegen eine Neuerung sich einsetzt, die sicherlich nicht etymologisch, sondern nur durch den Sprachgebrauch gerechtfertigt ist.
Wer weiß, wie Hieronymus ständig darauf bedacht war, das echte Glaubensgut zu schützen, wird verstehen, daß es ihm Herzenssache war, keinen Schritt vom reckten Glauben abzuweichen. Woher aber konnte ihm, der mit Rom verwachsen war, im Zweifelsfalle eine sicherere Orientierung kommen als vom römischen Bischof, dem Leiter der Gesamtkirche? Nicht Gesinnungslosigkeit, 3 sondern folgerichtiges, seiner ganzen Einstellung entsprechendes Handeln leitet ihn, wenn er sich in seiner Verlegenheit an Papst Damasus wendet. Grützmacher schiebt in Anlehnung an Schöne unserem Kirchenvater ehrgeizige Beweggründe unter, als er sich nach Rom wandte. 4 Dieser Versuch ist als unbewiesen abzulehnen. Es berührt eigenartig, daß Pronberger diese Vorwürfe zu den seinen macht. 5
Der Brief muß zwischen 376 und 379 geschrieben sein. Er erwähnt den Bischof Vitalis, welcher 376 von Apollinaris geweiht wurde, und die ägyptischen Bekennerbischöfe, welche 379 in ihre Heimat zurückkehrten. 6
