Dritter Artikel. Die Gattungsverschiedenheit der Sünden hängt nicht ab von ihren Ursachen.
a) Dies scheint jedoch. Denn: I. Von eben daher hat eine Sache ihre Gattungsstufe, woher sie ihr Sein hat. Die Sünden aber haben ihr Sein von ihren Ursachen her. Also rührt von da her auch ihre Gattungsverschiedenheit. II. Unter allen Ursachen scheint am wenigsten den Unterschied in der Gattung zu begründen die bestimmbare oder Materialursache. Der Gegenstand der Sünde aber ist wie deren Materialursache. Da also die Sünden gemäß den Gegenständen in ihrer Gattung unterschieden werden, so müssen sie um so mehr in den anderen Ursachen ihren Unterscheidungsgrund haben. III. Augustin sagt zu Ps. 79 (incensa igni): „Jegliche Sünde kommt von einer Furcht, die in verkehrter Weise demütigt; oder von einer Liebe, die in verkehrter Weise entstammt;“ denn 1. Joh. 2. wird gesagt: „Alles, was in der Welt ist, das ist entweder Begierlichkeit des Fleisches oder Begierlichkeit der Augen oder Hoffart des Lebens.“ Deshalb aber sagt man, es sei in der Welt etwas wegen der Sünde, insofern mit dem Namen „Welt“ die Liebhaber der Welt bezeichnet werden. Augustin (sup. Joan. tract. 2.) und Gregor (31. moral. 17.) unterscheiden zudem die Sünden nach den sieben Hauptsünden. Diese Unterscheidungen aber insgesamt berücksichtigen als Richtschnur die Ursachen der Sünden. Auf der anderen Seite würde dann nur eine Gattung von Sünden bestehen; denn Ekkli. 10. heißt es: „Der Anfang aller Sünde ist der Stolz;“ und 1.Tim. ult. wird gesagt: „Die Wurzel aller Sünde ist die Begierde.“ Da nun offenbar verschiedene Gattungen von Sünden existieren, so werden die Sünden in ihrer Gattung nicht unterschieden nach den Ursachen der Sünde.
b) Ich antworte, vier sind der Arten von Ursächlichkeiten: Die Formal- und Materialursache berücksichtigen vorzugsweise die innerliche Zusammensetzung der Substanz eines Dinges, welche ja immer aus einem bestimmenden und bestimmbaren Elemente besteht. Die wirkende und die Zweckursache berücksichtigen in erster Linie die Bewegung und die Thätigkeit; und deshalb werden diese letzteren, die Thätigkeiten, zu allererst nach den entsprechenden Ursachen unterschieden. Jedoch geschieht dies in verschiedener Weise. Denn die wirksamen Principien der rein natürlichen Dinge sind allseitig und immer von sich aus bestimmt zu der nämlichen, gleichen Thätigkeit; und deshalb werden verschiedene Gattungen in den natürlichen Thätigkeiten bemessen nicht nur nach den verschiedenen Gegenständen, die als Zweck oder Abschluß dastehen, sondern auch nach den thätig wirksamen Principien; wie z.B. „Erwärmen“ und „Erkalten“ unterschieden werden der Gattung nach gemäß dem Warmen und Kalten. Die wirksam thätigen Principien aber in den freiwilligen Thätigkeiten, wozu die Sünden gehören, sind nicht mit Notwendigkeit immer auf ein und dasselbe gerichtet. Und somitt können von ein und demselben thätig wirksamen Princip oder von ein und derselben bewegenden Kraft verschiedene Gattungen Sünden hervorgehen; wie z. B. aus der Furcht, die verkehrterweise demütigt, hervorgehen kann, daß der Mensch stiehlt, daß er tötet, daß er die ihm anvertraute Herde verläßt; und ganz das Nämliche kann hervorgehen aus der Liebe, die verkehrterweise entflammt. Also unterscheiden sich offenbar die Sünden der Gattung nach nicht gemäß den verschiedenen thätig wirksamen oder bewegenden Ursachen, sondern gemäß der Verschiedenheit der Zweckursache; der Zweck aber ist der Gegenstand des Willens.
c) I. Die wirksamen Principien der freiwilligen Akte genügen nicht, um die Gattung zu bestimmen; denn sie sind nicht mit Notwendigkeit auf ein und dasselbe immer gerichtet. Sie bedürfen deshalb, damit ein Akt erfolge, der weiteren Bestimmung von seiten des beabsichtigten Zweckes. Und deshalb kommt endgültig vom Zwecke her das Sein und die Gattung des einzelnen freien Aktes. II. Insoweit die Gegenstände auf die äußerlichen Akte bezogen werden, haben sie den Charakter der Materie, mit der man sich beschäftigt; insoweit sie auf den innerlichen Willensakt bezogen werden, haben sie den Charakter des Zweckes und aus diesem Grunde kommt von ihnen die Gattung des betreffenden Aktes. Jedoch auch im ersten Sinne bilden sie den Abschluß der äußerlichen Bewegung und somit geben sie demgemäß diesen Thätigkeiten die Gattung; wie dies für gewöhnlich der Abschluß der Bewegung für diese thut. III. Jene Einteilungen der Sünden sollen nicht für deren Gattungen die Bestimmung enthalten; sondern nur die Ursachen der Sünden offenbar machen.
