Siebenter Artikel. Zulässig ist die Einteilung der Sünde in die Sünde des Herzens, des Mundes und der That.
a) Die Zulässigkeit dieser Einteilung scheint zweifelhaft. Denn: I. Augustin (12. de Trin. 12.) nimmt drei Grade in der Sünde an. Der erste ist „wenn der fleischliche Sinn etwas Anlockendes in die Seele wirft“, was gleichbedeutend erscheint mit der Sünde des Gedankens. Der zweite Grad besteht darin, „daß jemand mit dem alleinigen Ergötzen an einem solchen Gedanken zufrieden ist.“ Und der dritte Grad ist, „wann vermittelst der Zustimmung man beschließt, danach zu handeln.“ Dies Alles aber gehört zur „Sünde des Herzens.“ II. Gregor (4. moral. 25.) nimmt vier Grade der Sünde an: 1. „die Schuld, welche im Herzen verborgen ist“; — 2. „wenn sie nach außen hin offenbar wird“; — 3. „wenn sie in Gewohnheit übergeht und so erst recht Stärke gewinnt“; — 4. „wenn sie soweit sich erstreckt, daß man freventlich auf Gottes Barmherzigkeit hin sündigt oder verzweifelt.“ Da also wird nicht unterschieden zwischen der Sünde des Mundes und der That; und werden überdies noch zwei Grade hinzugefügt. III. Ehe eine beliebige Sünde im Munde oder in der That ist, muß sie im Herzen sein. Also besteht da kein Wesensunterschied. Auf der anderen Seite sagt Hieronymus (in Ezech. 43.): „Drei Vergehen giebt es im allgemeinen, denen das Menschengeschlecht unterliegt: denn entweder im Gedanken oder im Worte oder in der That sündigen wir.“
b) Ich antworte, bald bestehe ein vollständiger Wesensunterschied zwischen zwei Dingen, wie z. B. zwischen dem Pferde und dem Ochsen, von denen jedes ein volles Gattungswesen in sich hat; — bald bestehe ein unvollständiger Wesensunterschied, insofern gemäß den verschiedenen Stufen nämlich in ein und derselben Bewegung oder in ein und demselben Entstehen verschiedene Gattungen angesetzt werden. So ist die Erbauung gleichbedeutend mit dem völligen Entstehen eines Hauses; — das Legen des Fundamentes aber, das Aufrichten der Mauer u. ähnl. sind unvollständige Gattungen nach 10 Ethic. 4. Und so, gemäß dieser letzten Weise, wird die Sünde geteilt in Sünde des Herzens, des Mundes und der That; nicht nämlich als ob dies vollendete Gattungen in der Sünde wären. Denn die Vollendung der Sünde ist in der Vollziehung der „That“. Die Sünde der „That“ also besitzt in sich die vollständige Gattung. Das erste Anfangen derselben aber ist wie das Grundlegen im Herzen; die Fortsetzung ist im Munde, soweit nämlich leicht in Worte man ausbricht, um seine innere Herzensneigung zu offenbaren; die Vollendung ist in der „That“, im Werke. Also ist hier ein Unterschied im Grade der Sünde, nicht gemäß der vollendeten Gattung; denn alle drei Stufen gehen vom nämlichen Beweggrunde aus, bilden somit eine einzige Gattung. Der Zornige nämlich, der da nach Rache dürstet, wird zuerst verwirrt im Herzen; dann bricht er in ungeregelte Worte aus; und endlich geht er voran bis zu beleidigenden Thaten. Ähnlich verhält es sich in allen Sünden.
c) I. Jede Sünde des Herzens hat den Charakter des Verborgenen. Und so ist das eine einzige Stufe in der Sünde, die jedoch drei Unterstufen in sich schließt: den Gedanken, das Ergötzen, die Zustimmung. II. Die Sünde des Mundes und der That kommen überein darin, daß darin ein gewisses Offenbarwerden liegt; und deshalb rechnet sie Gregor als eine Stufe. Hieronymus aber unterscheidet, weil die Sünde des Mundes nur ein Offenbarwerden ist und dies hauptsächlich beabsichtigt wird; die Sünde der That aber ist hauptsächlich die Vollendung und Verwirklichung des innerlich Gedachten, und das Offenbarwerden bildet davon nur die Folge. Die Gewohnheit jedoch und die Verzweiflung sind Stufen, welche der vollendeten Sündengattung folgen, wie die Jugend und das Mannesalter folgen der vollendeten Zeugung eines Menschen. III. Sind alle diese drei Stufen zusammen, so werden sie von der Sünde der „That“ nicht unterschieden; dies geschieht nur, wenn jede Stufe für sich allein gefunden wird. So wird auch ein Teil der Bewegung nicht unterschieden von der ganzen Bewegung, wenn die ganze Bewegung eine fortlaufende ist; dies geschieht nur, wenn mitten in der Bewegung stille gehalten wird.
