Siebenter Artikel. Jede Strafe bezieht sich als auf ihre Ursache auf eine Schuld.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Joh 9. heißt es vom Blindgeborenen: „Weder er hat gesündigt noch seine Eltern, daß er blind geboren wurde.“ Und so leiden auch getaufte unmündige Kinder oft große Strafen, wie Fieber, Teuselbesessenheit u. dgl.; obgleich in ihnen keine Sünde ist. Ja auch ehe sie getauft sind, existiert in ihnen keine größere Schuld wie in den übrigen Kindern, die nicht so viel leiden. Also nicht jede Strafe ist für eine Schuld. II. Die Sünder sind auf Erden glücklich; und die Unschuldigen werden bestraft. Deshalb sagt Ps. 72 von den Gottlosen: „Mit den Menschen teilen sie nicht die Mühsal und nicht werden sie mit ihnen gegeißelt;“ ebenso Job 21.: „Die Gottlosen leben; erhoben sind sie und gestärkt durch Reichtümer;“ und ähnlich Habakuk 1, 13. III. 1. Petr. 2. heißt es von Christus: „Der da keine Sünde gethan; und Trug wurde in. seinen Reden nicht gefunden;“ und doch wird eben daselbst gesagt, daß „Er gelitten hat für uns.“ Nicht immer also teilt Gott Strafen zu für eine Schuld. Auf der anderen Seite steht geschrieben bei Job 4.: „Wer jemals ist unschuldig untergegangen und wann wurden die aufrichtigen Herzens sind hinweggeräumt? Vielmehr habe ich gesehen, wie jene, die Bosheit thun, von dem Hauche Gottes weggeblasen werden.“ Ebenso Augustin (I. Retr. 9.): „Alle Strafe ist gerecht und wird zugeteilt wegen einer Sünde.“
b) Ich antworte; entweder ist von Strafe schlechthin die Rede oder von einer genugthuenden. Die letztere nun ist gewissermaßen freiwillig; und weil jene, die in der Strafe verschieden sind, manchmal eins sind in der Liebe; deshalb tragen oft die einen freiwillig die Strafe, welche andere verdient haben; wie auch sonst manchmal der eine die Schuld bezahlt für den anderen. Sprechen wir aber von der Strafe schlechthin, so ist da immer eine Beziehung zur eigenen Schuld als zu der Ursache; und zwar manchmal zur eigenen begangenen Schuld und manchmal zur Erbschuld, bei der auf die Entfernung der Urgerechtigkeit folgt die Überlassung der menschlichen Natur an sich selbst und alle anderen Strafen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß bisweilen etwas den Charakter der Strafe zu tragen scheint, was nicht schlechthin Strafe ist. Denn Strafe ist ein Übel. Ein Übel aber ist Mangel an Gutem. Nun kann der Mensch manchmal einen Schaden erleiden in geringeren Gütern, z. B. in Geld, damit er größerer Güter teilhaftig werde, z. B. der Gesundheit. Oder er kann in Beidem Schaden leiden wegen des Heiles seiner Seele und der Ehre Gottes. Das hat also mehr den Charakter eines Heilmittels wie der Strafe; denn auch die Ärzte schreiben oft bittere Medizin vor, damit sie Gesundheit bewirken. Demnach werden solche Strafen nur wegen der Verderbtheit der Natur, die aus der Erbsünde kommt, und nicht aus einem anderen Grunde auf eine Schuld zurückgeführt. Denn im Stande der Unschuld hätte jemand solcher peinlicher Übungen nicht bedurft, um in der Tugend Fortschritte zu machen.
c) I. Derartige Strafen wie auch die in Kindern haben zur Ursache die Erbsünde; und ihre Ungleichheit kommt von der Verschiedenheit der körperlichen Komplexion (vgl. Kap. 82, Art. 4 ad. II. und Kap. 85, Art. 5)., Solche Mängel aber leitet die göttliche Vorsehung hin zum Heile der Menschen, entweder jener, die leiden; oder anderer, denen solche Leiden als Ermahnung dienen; oder zur Ehre Gottes. II. Die zeitlichen Güter sind wohl Güter, aber kleine im Vergleich zu den geistigen Gütern. Der göttlichen Gerechtigkeit also geziemt es, daß sie die letzteren den Tugendhaften giebt und von den zeitlichen nur so viel als gerade erforderlich ist zur Tugend. Deshalb sagt Dionysius 8. de div. nom.: „Gottes Gerechtigkeit ist es, nicht erschlaffen zu lassen die Herzen der Besten durch Schenkung zeitlicher Güter.“ Den anderen aber schlägt dies selbst, daß sie zeitliche Güter haben, zum Nachteile der Seele aus, weshalb der Psalmist hinzufügt: „Deshalb hat der Stolz sie gefangen genommen.“ III. Christi Leiden waren genugthuend für unsere Sünden. L.
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