Erster Artikel. Es ist möglich, daß jemand Gott hasse.
a) Das scheint vielmehr unmöglich zu sein. Denn: I. Dionysius sagt (de div. nom. 4.): „Allen ist liebwert und Gegenstand der Zuneigung das erste Gute und Schöne.“ Gott aber ist die Güte selber. II. In den apokryphischen Büchern Esdras lib. III, c. 4.) heißt es: „Alles ruft an die Wahrheit und nimmt teil an der von ihr ausfließenden Güte.“ Gott aber ist die Wahrheit selbst. III. Haß will sagen „Abwendung“. „Gott aber wendet Alles zu Sich,“ nach Dionysius (de div. nom. 4.). Auf der anderen Seite steht Ps. 73 geschrieben: „Der Hochmut derer, die Dich hassen, steigt immerdar;“ und Joh. 15.: „Jetzt aber haben sie mich gesehen und haben gehaßt mich und meinen Vater.“
b) Ich antworte, der Haß sei eine Thätigkeit des begehrenden Teiles, der da in Thätigkeit gesetzt wird einzig und allein von etwas Aufgefaßtem aus. Gott nun kann aufgefaßt werden entweder kraft seines Wesens, wenn dieses geschaut wird, oder kraft seiner Wirkungen (nach Röm. 1.) Nach der ersten Auffassung kann Gott nicht gehaßt werden; denn da wird Er als reinstes Allgut aufgefaßt. Von den Wirkungen aber sind einige wie Sein, Leben, Erkennen ebenfalls nie dem menschlichen Willen zuwider; und somit kann nach ihnen Gott ebenfalls nicht gehaßt werden. Andere Wirlungen, wie die Sendung von Strafen und die Gebote, widerstreiten dem ungeregelten Willen, den die Sünde verdorben. Und nach Auffassung solcher Wirkungen kann Gott als Urheber der Strafe und Erlasser von Geboten, den Zügeln des Willens, gehaßt werden.
c) I. Der Einwurf spricht von jenen, die Gottes Wesen schauen. II. Infolge mancher Wirkungen wird Gott als Urheber derselben kraft der natürlichen Hinneigung von allen geliebt; nämlich dies sind die Werke der Wahrheit, kraft deren er seine Kenntnis den Menschen verleiht. III. Gott wendet Alles zu Sich als Princip alles Seins; denn Alles, was ist, strebt danach, Gott ähnlich zu sein, der das Sein selber ist.
