Zweiter Artikel. Der Haß gegen Gott ist die größte Sünde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die schwersten Sünden sind jene gegen den heiligen Geist, zu denen der Haß Gottes nicht gehört. II. Die Sünde ist Entfernung von Gott. Mehr entfernt aber von Gott ist der Ungläubige, der nicht einmal Gott kennt. III. Auf Grund seiner Wirkungen allein wird Gott gehaßt, nämlich als Urheber der Strafe, die an sich dem Willen widerstreitet. Die Strafe aber hassen ist nicht die größte Sünde. Auf der anderen Seite „steht dem Besten das Schlechteste gegenüber.“ (8 Ethic. 10.) Der Haß Gottes aber steht gegenüber der Liebe Gottes, worin das höchste Gut des Menschen besteht.
b) Ich antworte, der Mangel in der Sünde bestehe in der Abwendung von Gott. Diese aber wäre keine Schuld, wenn sie nicht freiwillig wäre. Also besteht der Charakter der Schuld in der freiwilligen Abwendung von Gott. Letztere nun bildet den wesentlichen Inhalt des Hasses gegen Gott; während sie andere Sünden nur, ohne an sich gewollt zu sein, begleitet. Denn wie der Wille dem anhängt, was er liebt; so flieht er das, was er haßt. Wenn also jemand Gott haßt, so wendet sich der Wille an und für sich von Gott ab. In anderen Sünden aber, wie bei der Unkeuschheit, wendet er sich nicht an und für sich von Gott ab, sondern weil er solches ungeregeltes Ergötzen liebt, womit die Liebe zu Gott nicht besteht; also auf Grund von etwas Anderem. Immer aber ist, was an und für sich besteht, hauptsächlicher, wie was nur auf Grund von etwas Anderem besteht. Also ist der Haß gegen Gott die hauptsächlichste unter dßn Sünden.
c) I. Gregor (25. moral. 2.) sagt: „Etwas Anderes ist es, Gutes nicht thun, und etwas Anderes den Geber des Guten zu hassen; Jenes heißt aus Übereilung sündigen, Dieses aus Überlegung.“ Danach ist also der Haß Gottes eine Sünde aus Überlegung; und somit ist der Haß Gottes eine Sünde gegen den heiligen Geist und zwar die größte, soweit gewisse besondere Gattungen dieser Sünde angenommen werden. Er wird nicht als einzelne Gattung angeführt, weil er in jeder Gattung dieser Sünde sich findet. II. Der Unglaube hat nur als ein freiwilliger den Charakter der Schuld; und ist desto schwerere Schuld, je mehr er freiwillig ist. Daß er aber freiwillig ist, das kommt daher weil jemand die Wahrheit haßt, die vorgestellt wird. Also rührt der Charakter der Schuld im Unglauben vom Hasse gegen Gott her, dessen Wahrheit der Glaube zum Gegenstände hat. Da nun die Ursache voransteht der Wirkung, so ist der Haß Gottes eine größere Sünde wie der Unglaube. III. Manche hassen die Strafe, ertragen aber selbe mit Geduld um der göttlichen Gerechtigkeit willen. Deshalb sagt Augustin (10. Conf. 28.), Gott befehle, die Strafen zu ertragen; nicht, sie zu lieben. Hassen Gott aber, weil Er straft, das besagt ebensoviel wie Gottes Gerechtigkeit hassen; und das ist die größte der Sünden. Danach sagt Gregor (I. c.): „Wie manchmal eine schwerere Sünde es ist, etwas zu lieben als es thatsächlich zu begehen, so ist es eine schwerere Sünde, Gottes Gerechtigkeit zu hassen als nichts Schlechtes in der That selber begangen zu haben.“
