Dritter Artikel. Aller Haß gegen den Nächsten ist Sünde.
a) Das Gegenteil wird bewiesen: I. Keine Sünde findet sich in den Geboten oder den Ratschlägen des göttlichen Gesetzes, nach Prov. 8.: „Gerecht sind alle meine Reden; es ist in selben nichts Verkehrtes, nichts Schlechtes.“ Luk. 14. aber wird gesagt: „Wenn jemand zu mir kommt und haßt nicht Vater und Mutter, der kann mein Schüler nicht sein.“ Also ist nicht aller Haß gegen den Nächsten Sünde. II. „Gott haßt die Verleumder,“ nach Röm. 1, 10. Wir müssen aber Gott nachahmen. Also müssen wir manchmal den Mitmenschen hassen. III. „Die Sünde bedeutet ein Abweichen von dem, was der Natur entspricht,“ sagt Damascenus. (2. de orth. fide 4. et 30.) Natürlich aber ist es für jegliches Ding, zu hassen was ihm widerstreitet und was sein Verderben ist. Also ist es natürlich und somit lobenswert, den Feind zu hassen. Auf der anderen Seite heißt es 1. Joh. 2.: „Wer seinen Bruder haßt, ist in Finsternissen.“ Finsternisse im geistigen Sinne aber werden die Sünden genannt.
b) Ich antworte, so viel habe der Haß den Charakter des Bösen wie die Liebe trägt den Charakter des Guten. Die Liebe aber gebührt dem Nächsten gemäß dem, was er von Gott hat; nämlich gemäß der Natur und der Gnade. Gemäß dem aber, was er von sich selbst oder vom Teufel hat, gebührt ihm keine Liebe; also nicht gemäß der Sünde und dem Mangel an Gerechtigkeit. Die Sünde und den Mangel an Gerechtigkeit kann man sonach im Bruder hassen; nicht aber ohne Sünde die Natur und die Gnade in ihm. Daß wir jedoch die Schuld im Bruder hassen, das ist wieder ebensoviel als ihn lieben; denn die Liebe wünscht das Gute und die Entfernung des Schädlichen.
c) I. Die Eltern sind zu hassen; insoweit sie ein Hindernis für uns sind, der Vollendung der göttlichen Gerechtigkeit uns zu nähern. II. Gott haßt die Schuld in den Verleumdern; nicht ihre Natur. III. Mit Rücksicht auf das Gute in den Menschen sind sie nicht uns entgegengesetzt; und sind darum zu lieben. Sie widerstreiten uns und sind unser Verderben, insoweit sie gegen uns Feindschaft tragen und das ist eine Schuld in ihnen. Dies also können wir in ihnen hassen, daß sie in sich Feindschaft nähren.
