Vierter Artikel. Die Größe der Sünde des Hasses gegen die Nächsten.
a) Unter den Sünden gegen den Nächsten scheint der Haß die größte zu sein. Denn: I. 1. Joh. 3. wird jener, der da haßt seinen Nächsten, Menschenmörder genannt. Das aber ist die schwerste aller Sünden gegen den Nächsten. II. Die Liebe ist das Beste, was wir dem Nächsten bieten können. Also ist der Haß das Schlechteste. III. Auf der anderen Seite wird „Übel genannt, was schadet.“ (Aug. Enchir. 12.) Mehr aber schadet man dem Menschen durch Diebstahl etc. wie durch Haß. IV. Zu Matth. 5. (Qui solverit) schreibt Chrysostomus (op. imp. hom. 10.): „Die Gebote Mosis: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen sind von geringem Lohn begleitet; aber betreffen sehr schwere Sünden. Die Gebote Christi aber: Du sollst nicht zürnen, du sollst nicht begehren, haben mit sich großen Lohn und betreffen geringe Sünden.“ Der Haß gegen den Nächsten aber ist eine innerliche Bewegung, wie der Zorn und das Begehren. Also ist der Haß gegen den Nächsten eine geringere Sünde wie der Totschlag.
b) Ich antworte, aus zwei Quellen fließe das Übel in der Sünde gegen den Nächsten: 1. aus dem ungeregelten Willen dessen, der sündigt; und 2. aus dem Schaden, der dem Nächsten erwächst. Nach der ersten Seite hin ist der Haß gegen den Nächsten eine größere Sünde wie die äußeren Akte, welche demselben Schaden bringen; denn vom Hasse kommt das Regellose im Willen. Der Haß ist somit die Wurzel der Sünde; und was an Schuld ist, auch in den äußeren Akten gegen den Nächsten, kommt ganz vom innerlichen Hasse. Nach der zweiten Seite hin, mit Rücksicht auf den Schaden des Nächsten, sind die äußeren Sünden für ihn von größerem Übel wie der innere Haß.
c) Die Einwürfe sind damit beantwortet.
