Siebenter Artikel. Die Umsicht ist ein Teil der Klugheit.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Umsicht scheint sich auf die einzelnen Umstände zu beziehen. Diese aber sind endlos und können somil von keiner Kenntnis umfaßt werden. II. Die Umstände gehören jedenfalls mehr zu den moralischen Tugenden wie zu der Klugheit. Also gehört auch die Umsicht mehr zu den ersteren. III. Kann jemand sehen, was ferne steht, so sieht er um so mehr das, was nahe ist. Durch die Fürsorge aber sieht jemand, was ferne steht. Also genügt sie, um auch das Naheliegende zu sehen. Auf der anderen Seite steht die Stelle bei Makrobius.
b) Ich antworte, um zum Zwecke richtig hinzuordnen, was der Klugheit obliegt, müsse der Zweck gut sein; und was zu ihm in Beziehung gebracht wird, muß auch thatsächlich dem Zwecke entsprechen. Weil aber zum menschlichen Thätigsein viele Umstände im einzelnen zusammenkommen, so kann es ganz wohl geschehen, daß etwas an sich betrachtet dem Zwecke entspricht und gut ist, was aber infolge von mancherlei Umständen als weniger gut und zweckentsprechend sich erweist. So kann man ganz wohl jemandem an sich betrachtet Zeichen seiner Zuneigung geben, damit man seinen Geist zur Liebe einlade. Ist derselbe aber zufällig stolz oder nimmt er dies als reine Schmeichelei auf, so sind diese Zeichen nicht zukömmlich. Die Umsicht also lehrt den Menschen, bei seinem Handeln auch die Umstände zu berücksichtigen.
c) I. Es können wohl endlos viele Umstände sein; aber thatsächlich sind es immer einige wenige, welche Einfluß ausüben auf das vernünftige Urteil. II. Die Umstände gehören, um geregelt zu werden, wesentlich zur Klugheit; zu den moralischen Tugenden aber, insoweit diese letzteren durch die gute Regelung der Umstände vollendet werden. III. Der Fürsorge entspricht es nachzusehen, ob etwas an sich betrachtet dem Zwecke entspricht; der Umsicht, ob etwas in Anbetracht der Umstände gut ist.
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