Vierter Artikel. Die Besorgtheit oder Aufmerksamkeit ist ein Teil der Klugheit.
a) Dem ist nicht so. Denn: I. Die Besorgtheit findet leicht Mittel, um etwas zu beweisen. Die Klugheit aber geht nicht aus strengen Beweisen vor. II. Gut beraten gehört zur Klugheit. Die hier gemeinte Besorgtheit aber ist das Nämliche wie das „glückliche Mutmaßen“ (6 Ethic. 9.), was da schnell und wie durch Zufall findet; während das Beraten gründlich und langsam vor sich geht. III. Die Besorgtheit als glückliches Mutmaßen ist eigen den Rednern. Auf der anderen Seite wird nach Isidor (10 Etymol. 8.) „jemand besorgt genannt, der da Sorge hat und schnell ist.“ Sorge haben aber gehört zur Klugheit.
b) Ich antworte, Klugheit haben will sagen die rechte Wertschätzung besitzen über das zu Thuende. Eine solche erlangt man nun 1. durch Lernen — und dazu dient die Gelehrigkeit; 2. durch eigenes Forschen und Finden; und dazu dient die Besorgtheit, insoweit sie leicht und glücklich das Mittel findet, um zu einem Schlüsse zu gelangen, wie 1. Poster. ult. gesagt wird. Danach ist also „die Besorgtheit ein Zustand, welcher selbständig und plötzlich findet das, was zukömmlich ist.“
c) I. Auch im Bereiche der menschlichen Thätigkeit, nicht nur in der strengen Beweisführung handelt es sich darum, leicht Mittel und Wege zu finden. II. Allerdings ist das Beraten an sich langsam und somit kommt es nicht überein mit dem „glücklichen Mutmaßen“ oder „der Besorgtheit“. Jedoch kann solche Gewohnheit im plötzlichen Auffinden von Mitteln immer dann helfen, wenn etwas schnell geschehen muß, was nicht vorausgesehen war. III. Die Rednerkunst bezieht sich auch auf die menschliche Thätigkeit; also gehört ihr demgemäß die „Besorgtheit“ an.
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