Erster Artikel. Es ist den Ordensleuten erlaubt, zu predigen, zu lehren und Ähnliches zu thun.
a) Dies scheint nicht so. Denn: I. 7 Q.q. 1. cap. nequaquam heißt es: „Das Leben der Mönche drückt sich aus im Worte Unterwürfigkeit, Gelehrigkeit; nicht besteht es darin, daß sie andere lehren und leiten.“ Ebenso Hieronymus(cont. Vigilant. c. 6.): „Die Aufgabe des Mönches ist, zu weinen; nicht aber, zu lehren.“ Leo der Große (ep. 120.): „Außer den Priestern des Herrn soll niemand predigen, sei er Mönch oder Laie; und möge er noch so gelehrt sein.“ II. Im Konzil von Nicäa wird vorgeschrieben (16 Qq. 1. cap. Placuit): „Wir gebieten allen und sie sollen daran unverbrüchlich festhalten, daß der Mönch niemandem eine Buße zuerteilt, außer etwa unter den Mönchen selbst, wie dies gerecht ist; er soll niemanden begraben außer etwa einen anderen Mönch, mit dem er im selben Kloster weilt oder wenn ein fremder Mönch zufällig zu ihm kommt und bei ihm stirbt.“ Wie aber dies, so gehört auch das Lehren und Predigen zur Aufgabe und zum Amte der Geistlichen. Da also „eine andere Sache es ist mit einem Mönche und eine andere mit einem Geistlichen“ (Hieronym. ep. 1.); so ist den Ordensleuten es nicht erlaubt, zu predigen, zu lehren u. dgl. III. Gregor sagt (Registr. libr. 4. ep 1.): „Niemand kann kirchlichen Dienstleistungen obliegen und zugleich ordentlich die Klosterregel beobachten. “Da also die Ordensleute ordentlich ihre Regel beobachten sollen, dürfen sie nicht lehren, predigen u. dgl., was zu einem Kirchenamte gehört. Auf der anderen Seite sagt Gregor (16 Qq. l. cap. 24.): „Kraft des vorliegenden Dekretes, welches mit apostolischer Mäßigung und auf Grund unserer kirchlichen Stellung von uns erlassen worden, sei es den Priestern aus dem Mönchsstande, welche nach der Weise der Apostel leben, erlaubt, zu predigen, zu taufen, die Kommunion zu reichen, für die Sünder (öffentlich) zu beten, Buße aufzulegen und von Sünden loszusprechen.“
b) Ich antworte, es sei einem Menschen einmal nicht erlaubt, etwas zu thun, weil er in sich trägt einen Gegensatz zu dem betreffenden Unerlaubten; wie niemandem es erlaubt ist zu sündigen, weil jeder in sich trägt die Vernunft und damit die Verpflichtung zum Gesetze Gottes, was zur Sünde im Gegensatze steht. Danach ist jemandem nicht erlaubt, zu predigen, zu lehren etc., sofern er in sich etwas hat, was zu diesen Dingen in Gegensatz steht, sei es auf Grund eines Gebotes, wie die Irregulären nicht zu den heiligen Weihen zugelassen werden dürfen, oder sei es auf Grund der Sünde, wie Ps. 49. es heißt: „Dem Sünder aber sagte Gott: Warum erzählst du von meiner Gerechtigkeit?“ Auf diese Weise ist den Ordensleuten es nicht unerlaubt, zu predigen, zu lehren etc.; einerseits weil sie durch kein Gelübde und durch kein Gebot angewiesen werden, sich dessen zu enthalten, andererseits weil sie, fern davon, durch eine begangene Sünde sich dieser Thätigkeiten unwürdig gemacht zu haben, sie vielmehr durch die Übungen der Heiligkeit, die sie übernommen, dazu geeigneter werden. Denn eine Thorheit ist es, zu sagen, dadurch daß jemand in der Heiligkeit Fortschritte mache, sei er minder passend für geistige Aufgaben. Und deshalb ist die Meinung mancher geradezu thöricht, die da glauben, der Ordensstand selber sei ein Hindernis für das Lehren, Predigen, Beichthören. Deren Irrtum verurteilt Bonifacius IV. (16 Qq. 1. cap. 25.) mit den Worten: „Es giebt deren, welche, trotzdem sie keine Glaubenslehre als Stütze haben, in höchster Verwegenheit und mehr durch bittere Eifersucht getrieben als durch Liebe entflammt, behaupten, die Mönche, welche der Welt abgestorben sind und Gott leben, seien der Vollmachten des Priesteramtes unwürdig; weder könnten sie Beichte hören noch die christliche Lehre verkünden, wenn ihnen auch Solches von der gebührenden Stelle aus aufgetragen würde. Sie täuschen sich durchaus.“ Das beweist nun auch der Papst mit Folgendem: 1. weil diese Thätigkeiten nicht ihrer Regel widersprechen: „Denn der vorsorgende Lehrer der Mönche, der heilige Benediktus, hat Derartiges nicht verboten;“ und wird dies auch nicht in anderen Ordensregeln untersagt; — 2. weil gerade der Mönch zu solch geistigen Thätigkeiten am geeignetsten ist: „Und je heiliger jemand, desto mehr ist er zu besagten Thätigkeiten passend.“ Dann ist etwas für jemanden unerlaubt, weil ihm die Macht und die Kraft dazu fehlt; nicht weil ein Gegensatz dazu in ihm ist. So ist es dem Diakon unerlaubt, das Meßopfer zu feiern; denn er hat nicht die nötige Macht dafür in sich. Darin ist nun zu unterscheiden: Was nämlich aus einer Weihevollmacht fließt, das kann niemandem übertragen werden, der nicht die Weihe selbst hat. Was aber aus der Jurisdiktionsvollmacht fließt, das kann jemandem übertragen werden, der nicht kraft seines Amtes bereits die Jurisdiktion, also die ordinaria, hat; wie ein einfacher Priester vom Bischöfe beauftragt werden kann, Recht zu sprechen. Und danach ist es den Ordensleuten als solchen nicht erlaubt, zu predigen etc.; nämlich insoweit der Ordensstand selber ihnen dazu nicht die Vollmacht giebt. Erhalten sie aber die entsprechende Weihe oder Gewalt, oder wird ihnen Jurisdiktionsvollmacht von der geeigneten Stelle aus übertragen; so können sie lehren, predigen etc.
c) I. Aus diesen Worten folgt, daß die Mönche nicht eben darum weil sie Mönche sind solche Thätigkeiten ausüben können; es folgt aber nicht, daß ein Gegensatz zu diesen Thätigkeiten wegen ihres Ordensstandes in ihnen ist und daß somit solche geistige Thätigkeiten ihnen nicht übertragen werden können. II. Die Mönche sollen sich nicht aus eigener Machtvollkommenheit, nämlich als ein ihnen gebührendes Recht anmaßen, die erwähnten Thätigkeiten zu vollziehen; dies besagt das Nizänische Dekret. III. Diese beiden Dinge vertragen sich nicht: im Kloster die Ordensregel beobachten — und kraft eigener Vollmacht kirchliche Amter verwalten (mit cura ordinaria.). Jedoch können bisweilen Mönche von Bischöfen mit kirchlichen Dienstleistungen betraut werden und zumal solche Ordensleute, deren Orden zu diesem Zwecke gestiftet worden. (Vgl. Kap. 188, Art. 4.)
