Dritter Artikel. Die Pflicht der Handarbeit für die Mönche.
a) Die Ordensleute sind zur Arbeit mit ihren eigenen Händen verpflichtet. Denn: I. 1. Thess. 4. wird dies geboten: „Arbeitet mit eueren Händen, wie wir dies geboten haben.“ Von der Beobachtung der Gebote aber sind die Ordensleute nicht ausgeschlossen, so daß Augustin (de operib. monachor. 30.) sagt:„Übrigens wer soll solch hartnäckig widerstrebende Menschen (nicht arbeitende Mönche) ertragen, welche den so überaus heilsamen Mahnungen des Apostels widerstehen und dabei nicht wegen ihrer Schwäche geduldet, sondern wegen ihrer Heiligkeit gepriesen werden wollen.“ II. Zu 2. Thess. 3. (Si quis non vult opesrari nec manducet) sagt Augustin (I. c. 1 et 2): „Einige meinen, der Apostel schreibe hier geistige Arbeit vor und nicht körperliche wie solche die Ackersleute und Handwerkerhaben… Überflüssig aber ist es, daß sie sich und andere hinters Licht führen wollen und so das, wozu die Liebe in nützlicher Weise ermahnt, nicht nur nicht thun, sondern nicht einmal verstehen wollen. . .“ (Cap. 3.) „Der Apostel will, daß die Knechte Gottes körperlich arbeiten, damit sie haben, wovon sie leben.“ Solche Knechte Gottes sind aber zumal die Ordensleute. III. Augustin schreibt (l. c. cap. 17.): „Was jene thun, die nicht körperlich arbeiten wollen; womit sie sich beschäftigen, das wollen wir wissen. Wir beten, singen Psalmen, lesen und betrachten oder verkünden das Wort Gottes, sagen sie. Doch Gott erhört schneller ein einziges Gebet dessen, der gehorcht, als tausend Gebete dessen, der verachtet (der also körperlich nicht arbeiten will). Psalmen aber singen kann man auch, wenn man körperlich arbeitet. Die da nun sagen, sie lesen; finden diese nicht im Apostel, daß er die körperliche Arbeit vorschreibt? Lesen wollen sie und was sie lesen, nicht thun; das ist ihre Verkehrtheit. Hat aber jemand diePflicht zu predigen und ist er in dieser Weise beschäftigt, so daß er arbeiten nicht kann; — gilt denn dies dann für alle im Kloster? Wenn aber nicht alle predigen können; warum wollen dann unter diesem Vorwande die anderen müßig gehen? Und wenn selbst alle predigen könnten, so sollten sie doch in der Predigt sich ablösen, damit so auch das Notwendige erarbeitet werde; zumal einer genügt, der spricht, damit viele hören können.“ IV. Zu Luk. 12. (vendite quae possidetis) sagt Beda: „Nicht nur euere Nahrung gebet den armen, sondern verkauft auch was ihr besitzt; damit ihr so, nachdem ihr für den Herrn Alles verachtet habt, nachher von euerer Hände Arbeit lebet und davon noch Almosen spendet.“ V. Die Ordensleute zumal sollen die Lebensweise der Apostel nachahmen, da sie sich zum Stande der Vollkommenheit bekennen. Von den Aposteln aber sagt Paulus (1. Kor. 4.): „Von unserer Hände Arbeit lebenwir.“ Also. Auf der anderen Seite wird die Handarbeit allen vorgeschrieben. 2. Thess. 3. nämlich heißt es: „Wer nicht arbeiten will, soll nicht essen;“ und der Apostel spricht da von seinen „Brüdern“ (2. Thess. 3.), unter denen er alle Christen versteht. (1. Kor. 7, 12. si quis frater uxorem habet infidelem.) Was aber gemeinhin für alle vorgeschrieben ist, das geht die Ordensleute nicht in höherem Grade an wie alle anderen.
b) Ich antworte, der Hände Arbeit habe einen vierfachen Zweck: 1. den Lebensunterhalt zu gewinnen, nach Gen. 3.: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen;“ und Ps. 127.: „Die Arbeiten deiner Hände wirst du essen;“ — 2. das Nichtsthun zu vermeiden, woraus viele Übel entstehen, nach Ekkli. 33.: „Schicke deinen Knecht in die Arbeit; denn viele Bosheit wird erzeugt durch Müßigkeit;“ — 3. die Begierlichkeit zu zügeln, nach 2. Kor. 6.: „In Arbeiten, Fasten, Nachtwachen;“ denn die Arbeit dient zur Abtötung des Fleisches; — 4. Almosen zu geben, nach Ephes. 4.: „Wer stahl, soll nicht mehr stehlen; vielmehr arbeite er mit seinen Händen; denn das ist gut, daß er so auch hat, wovon Almosen geben.“ 1. Wird nun der Hände Arbeit als notwendig für den Lebensunterhalt betrachtet, so ist sie geboten als notwendiges Mittel, um zu leben. Das bezeichnen die Worte Pauli: „Wer nicht arbeiten will, der soll nicht essen;“ als ob er sagte, kraft derselben Notwendigkeit, die jemanden zum Leben verpflichtet, sei er gehalten zum Arbeiten. Wer also ohne zu essen sein Leben hinbringen könne, der sei nicht verpflichtet, zu arbeiten. Und dasselbe gilt von jenen, die sonst nichts haben, wovon sie erlaubtermaßen leben könnten. Denn jemand kann etwas dann nicht, wenn er es nicht erlaubtermaßen kann. Nichts Anderes demnach scheint der Apostel hier verboten zu haben als sich durch unerlaubte Mittel den Lebensunterhalt zu verschaffen. Er schreibt nämlich die Handarbeit hier vor,
a) damit man nicht notwendig habe, zu stehlen, nach Ephes. 4.: „Der stahl, soll dies nicht mehr thun, sondern vielmehr mit seinen Händen arbeiten;“ —
b) damit man nicht nach fremdem Gute begehre, nach 1. Thess. 4.: „Arbeitet mit eueren Händen, wie wir euch geboten haben, damit ihr wohlanständig lebet in Beziehung auf jene, die außen sind;“ —
c) damit man mehr oder minder schmutzige Erwerbsquellen vermeide, nach 2. Thess. 3.: „AIs wir bei euch waren, kündigten wir euch dies an, wer nicht arbeiten will, der solle auch nicht essen. Denn wir haben gehört, daß einzelne unter euch als unruhige wandeln, die nicht arbeiten, sondern der Neugierde nachgehen;“ wozu die Glosse bemerkt: „die in schmutziger Sorge sich das Notwendige verschaffen.“ „Diesen und ähnlichen verkünden wir und beschwören sie, daß sie in Stillschweigen arbeiten und so ihr Brot essen.“ Deshalb erklärt Hieronymus (prooem. libr. 2. comment. sup. ep. ad 6al. vers. fin.), der Apostel habe dies gesagt, „nicht kraft seines Amtes zu lehren, sondern wegen der vorliegenden Fehler der Heiden.“ Jedoch muß man unter der Hände Arbeit hier verstehen alle menschlichen Lebensaufgaben, auf Grund deren die Menschen erlaubtermaßen ihren Unterhalt gewinnen; geschehe dies vermittelst der Hände oder der Füße oder der Zunge. Denn die Läufer, Wächter u. dgl. sind ebenfalls solche, die von ihrer Hände Arbeit leben. „Hände“ wird hier nur deshalb vom Apostel gesagt, weil die Hand das Werkzeug der Werkzeuge ist und somit unter „der Hände Arbeit“ überhaupt alle Thätigkeit verstanden wird, womit jemand erlaubtermaßen seinen Lebensunterhalt sich verschafft. 2. und 3. Soweit der Hände Arbeit dazu dient, die Müßigkeit zu bekämpfen oder den Leib abzutöten, fällt sie in keiner Weise unter das Gebot; denn in vieler anderer Weise kann das Müßiggehen vermieden werden wie z. B. durch Betrachtung, Gebet; und ebenso kann in mehrfach anderer Weise das Fleisch abgetötet werden, wie z. B. durch Fasten, Nachtwachen. Deshalb sagt die Glosse zu Ps. 48. (defecerunt oculi mei): „Es ist jener nicht müßig, wer das Wort Gottes allein erforscht; und mehr thut jener nicht, der äußerlich arbeitet, als wer sich abmüht, die Wahrheit zu erkennen.“ Abgesehen also von etwaigen Vorschriften ihrer besonderen Regel sind aus diesen vorstehenden Gründen die Ordensleute nicht zur Arbeit mit ihren Händen verpflichtet, wie ebenso nicht die Weltleute. Deshalb schreibt Hieronymus an den Mönch Rustikus (ep. 4.): „Die ägyptischen Klöster befolgen diesen Gebrauch, daß sie keinen aufnehmen, der nicht arbeiten oder überhaupt thätig sein müßte; nicht sowohl wegen des notwendigen Lebensunterhaltes als wegen des Seelenheiles, damit er sich nicht in verderblichen Gedanken zerstreue.“ 4. Wegen Almosengeben endlich kann das Arbeiten unter kein Gebot fallen; außer wenn etwa jemand in einem speciellen Falle verpflichtet wäre, Almosen zu geben und er es nicht anders als mit Hilfe seiner Arbeit thun könnte; in diesem Falle sind Ordensleute ebenso wie Weltleute zur Arbeit mit ihren Händen verpflichtet.
c) I. Das Gebot, welches der Apostel hier ausspricht, ist dem Naturrechte angehörig; wonach zu 2. Thess. 3. (ut subtrahatis vos ab omni fratre inordinate ambulante) die Glosse bemerkt: „Unordentlich wandeln heißt anders wandeln wie die natürliche Ordnung es erheischt.“ Er spricht aber hier von denen, welche ganz und gar aufhörten zu arbeiten; wozu die Natur selber doch dem Menschen die Hände gegeben hat anstatt sonstiger Waffen und Bekleidungen, welche andere sinnbegabte Wesen besitzen, damit nämlich durch seine Hände selber der Mensch sich dies und ähnliches Notwendige verschaffe. Also sind zu diesem Gebote nicht in höherem Grade die Ordens als die Weltleute verpflichtet; wie dies ja bei allen anderen Vorschriften des Naturrechtes der Fall ist. Es sündigen jedoch diejenigen nicht, welche nicht mit ihren Händen arbeiten; denn alle diese Vorschriften der Natur richten sich auf das Beste einer Vielheit und verpflichten nicht jeden einzelnen. In einer Vielheit muß der eine dies der andere jenes thun; die einen sind Ackersleute, die anderen Handwerker, andere wieder sind Richter oder Lehrer; — denn „wenn der ganze Körper Auge wäre, wo wäre dann der Geruch, wo das Gehör?“ II. Augustin spricht da gegen Mönche, die da meinten, es sei den Dienern Gottes gar nicht erlaubt zu arbeiten, weil geschrieben steht Matth. 6.: „Seid nicht besorgt um euer Leben, was ihr essen werdet.“ Jedoch wollen die Worte Augustins nicht die Notwendigkeit für die Mönche darthun, mit ihren Händen zu arbeiten, wenn sie sonst woher zu leben haben. Deshalb heißt es da: „Er will, die Diener Gottes sollen körperlich sich erarbeiten, wovon sie leben.“ Auch dies geht somit die Ordensleute nicht mehr an wie die Weltleute. Denn 1. spricht der Apostel von „jedem Bruder, der unordentlich wandelt,“ also von jedem Christen, da damals Orden noch nicht gegründet waren; und 2. sind zu mehr wie die Weltleute die Ordensleute gehalten nur auf Grund ihrer Regel; — nur also wo die Regel des Ordens Handarbeit vorschreibt, besteht dafür eine Pflicht für die betreffenden Ordensleute. III. Allen jenen geistigen Werken, welche Augustin da aufzählt,kann jemand in doppelter Weise sich zuwenden: zum allgemeinen Besten oder zum Privatnutzen. Wer also in diesen Werken öffentlich beschäftigt ist, muß 1. ganz und gar sich ihnen hingeben und 2. muß ihm von denen, zu deren Vorteil er arbeitet, der Lebensunterhalt gereicht werden; — somithat er nicht durch seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt zu gewinnen. Wer aber zu seinem Privatnutzen diesen geistigen Werken sich hingiebt, bei dem treffen die beiden ebengenannten Gründe nicht zu und darf er sich sonach durch solche Werke nicht von der Handarbeit abziehen lassen. Von letzteren spricht Augustin. Was er aber vom Singen der Psalmen sagt, daß auch die mit Handarbeit beschäftigten das thun können wie jene Handwerker, welche beim Arbeiten Geschichten erzählen, trifft offenbar nicht zu für den kanonischen Chorgesang; — sondern ist vom privaten Abbeten und vom Absingen gewisser Psalmen und geistiger Lieder zu verstehen. Auch das „Lesen“ und das „Beten“ geht nicht jene an, welche die öffentlichen Gebete verrichten oder öffentlich in den Schulen Vorlesungen halten. Ähnlich wird da von Augustin eine private „Predigt“ für einen oder wenige verstanden, wie aus dem Wortlaute hervorgeht (si cui sermo erogandus est; sermo, bemerkt die Glosse zu 1. Kor. 2. (sermo meus et praedicatio) ist eine Privatrede, praedicatio die öffentliche), nicht die öffentliche Predigt. IV. Wer Alles um Gottes willen verläßt, ist gehalten, mit den Händen zu arbeiten; sofern er sonst nicht hat, wovon er leben oder wovon er Almosen geben soll, wenn der entsprechende Fall der Notwendigkeit eintritt. (S. oben.) V. Manchmal arbeiteten die Apostel aus Notwendigkeit, wenn sie nämlich anders den Lebensunterhalt nicht finden konnten; wie die Glosse zu 1. Kor. 4. (laboramus operantes manibus nostris) bemerkt: „weil uns niemand etwas giebt.“ Manchmal aber war die Arbeit eine rein freiwillige, zu der nichts verpflichtete; wie der Apostel (1. Kor. 9.) sagt, er hätte die Macht, welche er besaß, nicht gebraucht, nämlich vom Evangelium zu leben. Letzteres that der Apostel: 1. wegen der falschen Apostel, die nur um zeitlichen Vorteiles willen predigten; wonach er (2. Kor. 2.) sagt: „Was ich thue,das werde ich fortfahren zu thun, damit ich ihnen die Gelegenheit nehme;“ — 2. um jene nicht zu belästigen, denen er predigte, nach 2. Kor. 12.: „Was habt ihr minder gehabt wie die anderen Kirchen als daß ich euch nicht beschwerlich war?“ — 3. um den müßigen ein Beispiel zu geben, nach 2. Thess. 3.: „Tag und Nacht arbeiten wir, damit wir euch eine Form und ein Muster hinstellen zur Nachahmung.“ Dies that der Apostel aber nicht in den Orten, wo es ihm möglich war, täglich zu predigen, wie zu Athen; vgl. Augustin (de oper. monach. 18.). Da nun die Ordensleute nicht zu Allem gehalten sind, was man freiwillig, über die Pflicht hinaus, thun kann; so besteht keine Pflicht für die Ordensleute, darin den Apostel nachzuahmen, wie ja auch die anderen Apostel nicht Handarbeit verrichteten.
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