Sechster Artikel. Die Ordensleute sollen sich verächtlicherer Kleider bedienen wie die Weltleute.
a) Dem steht entgegen Folgendes: I. Nach 1. Thess. ult. „sollen wir uns jeden üblen Scheines enthalten.“ Verächtliche oder niedrige Kleidung aber hat einen üblen Schein. Denn der Herr sagt (Matth. 7.): „Hütet euch vor den falschen Propheten, die zu euch kommen in Schafskleidern;“ und zu Apoc. 6. (Ecce equus pallidus) bemerkt die Glosse: „Wenn der Teufel sieht, er könne weder durch offene Verfolgungen oder durch offene Häresieen Fortschritte machen, so sendet er voraus falsche Brüder, die mit dem Mönchsgewande verdecken die Natur des schwarzen und roten Pferdes und die den Glauben verkehren.“ II. Hieronymus schreibt an Nepotianus: „Schwarze Kleider vermeide ebensogut wie weiße. Schmuck wie Schmutz muß man beiseitelassen; das eine riecht nach ungeregeltem Ergötzen, das andere nach eitlem Ruhm.“ Da also der Gebrauch von etwas Ergötzlichem eine läßlichere Sünde ist wie der eitle Ruhm; so müssen die Ordensleute, welche ja nach der Vollkommenheit streben, vielmehr verächtliche Kleidung meiden wie feinere. III. Die Ordensleute müssen ein Bußleben führen. Da müssen aber die äußeren Zeichen vermieden werden. Denn der Herr sagt bei Matth. 6.: „Wenn ihr fastet, so seid nicht wie die Heuchler traurig“… , du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht.“ Dazu bemerkt Augustin (2. de serm. Dom. 12.): „Hier ist nun sehr darauf achtzugeben, daß nicht nur im äußeren Glanze und Pompe der körperlichen Dinge Prahlerei sich finden kann, sondern auch in schmutzigen Kleidern selber; und diese letzte Prahlerei ist um so gefährlicher als sie unter dem Namen des Dienstes Gottes täuscht.“ Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Hebr. 11.): „Sie gingen herum in Tierfellen,“ wozu die Glosse bemerkt „wie Elias und andere“. Und Decret. 21 Qq. 4. cap. Omnis jactantia heißt es: „Werden solche gefunden, welche die mit Mönchs- und verächtlichen Gewändern bekleideten verspotten, so sollen sie gebessert (d. i. gezüchtigt) werden. Denn in den früheren Zeiten war jeder der christlichen Vollkommenheit lebende Mann mit mittelmäßigem verächtlichen Gewände bekleidet.“
b) Ich antworte, „in den äußerlichen Dingen sei nicht der Gebrauch, sondern die Begierde des dieselben gebrauchenden die Schuld,“ sagt Augustin (3. de doctr. christ. 12.) Da kann nun ein verächtliches Kleid betrachtet werden:
a) als Anzeichen einer inneren Verfassung oder eines inneren Zustandes, nach Ekkli. 19.: „Das Kleid … des Menschen kündigt denselben an;“ und so ist es oft das Zeichen der Trauer, so daß ja auch die Büßer verächtliche Kleider tragen, wie z. B. nach Jon. 3. „der König mit einem Sacke sich bekleidete“ und „Achab“ (3. Kön. 21.) „sein Fleisch mit einem Bußgewande bedeckte;“ —
b) als Ausdruck der Weltverachtung. Deshalb sagt Hieronymus (de Rust. mon.): „Verächtliche Kleider seien der Ausdruck eines reinen Sinnes; ein geringes Oberkleid sei der Beweis für die Verachtung der Welt; freilich unter der Voraussetzung, daß der Geist nicht sich aufblähe und so Äußeres und Inneres in Zwiefpalt seien.“ Nach beiden Seiten hin kommt die geringe, verächtliche Kleidung den Ordensleuten zu, als Zeichen der Buße und der Weltverachtung. Daß aber jemand solche Gesinnungen anderen andeuten will, geschieht aus drei Gründen: 1. weil man durch geringe Kleider gedemütigt wird; weshalb der Herr, nachdem Achab sich mit dem Bußkleide bedeckt hatte, zu Elias sagte: „Siehst du nicht, wie Achab sich gedemütigt hat vor mir?“ — 2. des Beispiels halber; weshalb zu Matth. 3. (habebat vestimentum de pilis camelorum) die Glosse bemerkt: „Das Kleid aus Kamelhaaren predigt Buße, zeigt an die Reue;“ — 3. der Eitelkeit halber, wie Augustin oben hervorhob; was fehlerhaft, während die beiden ersten Gründe gut sind. Kommt freilich solche verächtliche Kleidung vom Geize, so ist das sündhaft.
c) I. Die Verächtlichkeit in der Kleidung hat nicht den Schein des Bösen, sondern den des Guten; und eben deshalb verbergen darunter die bösen ihre Bosheit und wollen als Verächter weltlichen Glanzes erscheinen. Deshalb ermahnt Augustin (l.
c): „Nicht deshalb dürfen die Schafe ihre Kleidung verabscheuen, weil sich darunter auch Wölfe verbergen.“ II. Hieronymus spricht da vom eitlen Ruhme, wegen dessen man geringe Kleider trägt. III. Nach der Lehre des Herrn sollen in den Werken der Heiligkeit die Menschen nichts thun wegen des äußeren Scheines; und das geschieht zumal, wenn jemand etwas Neues thut. So sagt Chrysostomus (13. in Matth. op. imp.): „Der betende soll nichts Neues thun, was die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zieht; er soll nicht in auffälliger Weise schreien, an die Brust klopfen, die Arme ausstrecken.“ Jedoch ist auch wieder nicht alles Neue, was die Aufmerksamkeit der Menschen erregt, an sich tadelnswert; denn es kann im guten oder im schlechten Sinne geschehen. Deshalb sagt Augustin (I. c.): „Es mag ja sein, daß jemand, der den christlichen Glauben bekennt, durch ungebräuchlichen Schmutz und ungewöhnliche Zerrissenheit die Augen der Menschen auf sich lenkt; thut er dies nicht notgedrungen, sondern freiwillig, so muß man auf seine übrigen Werke sehen, um zu erkennen, ob er dies thue, weil er überflüssigen Schmuck verachtet oder aus Ehrgeiz.“ Die Ordensleute scheinen dies in erster Linie nicht aus Ehrgeiz zu thun; denn sie tragen geringe Kleidung bereits als Ausdruck ihrer Ordensprofeß, wodurch sie sich feierlich bekennen als Verächter des Weltlichen.
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