Fünfter Artikel. Was dem Menschensohne zukommt, kann nicht ausgesagt werden von der göttlichen Natur; und was dem Sohne Gottes zukommt, gilt nicht von der menschlichen Natur.
a) Dem steht entgegen: I. Was der menschlichen Natur zukommt, wird ausgesagt vom Sohne Gottes und von Gott. Gott aber ist seine Natur. Also gilt es auch von der Natur Gottes. II. Das Fleisch gehört zur Natur des Menschen. Damascenus aber (3. de orth. fide 6.) schreibt: „Die Natur des Wortes, so sagen wir, ist Fleisch geworden, nach den heiligen Athanasius und Cyrillus.“ III. Was der göttlichen Natur zukommt, das kommt auch der menschlichen Natur in Christo zu; wie z. B. das Zukünftige vorhersehen, erlösende Kraft haben. Also können aus gleichem Grunde die Eigenheiten der menschlichen Natur ausgesagt werden von der göttlichen. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (3. de orth. fide 4.): „Wenn wir von der Gottheit sprechen, so sprechen wir nicht von dem, was der menschlichen Natur eigen ist; denn wir sagen nicht, die göttliche Natur könne leiden oder geschaffen werden.“
b) Ich antworte, das, was einem Wesen eigen ist, könne in der wahren Bedeutung der Ausdrücke nur von einem anderen ausgesagt werden, soweit dieses letztere eins ist mit jenem; wie die Fähigkeit zu lachen nur vom Menschen ausgesagt wird, weil sie mit dem Menschen allein eins ist. In der Menschwerdung aber ist nicht ein und dasselbe die göttliche Natur und die menschliche, sondern ein und dieselbe Person ist in beiden. Und so kann das, was der einen Natur zukommt, nicht von der anderen ausgesagt werden, wenn man die Natur im allgemeinen als vom Einzelbestehen oder von der Person losgelöst oder abstrakt betrachtet. Namen aber, welche in konkretem Sinne bezeichnen, nämlich die Natur als eine im einzelnen fürsichbestehende ausdrücken, können gleicherweise von beiden Naturen ausgesagt werden. So giebt der Name „Christus“ zu verstehen beide Naturen: die Gottheit als salbende, die Menschheit als gesalbte; der Name „Gott“ oder „Sohn Gottes“ weist hin auf die eine göttliche Natur allein; der Name „Jesus“ auf die menschliche Natur allein. Alle diese Namen aber werden gleichermaßen gebraucht; sei es um Menschliches dem „Worte“ zuzuschreiben, sei es um Göttliches vom Menschen auszusagen. Deshalb sagt Leo der Große (ep. ad Palaest.): „Es liegt nichts daran, von welcher Natur her Christus benannt wird; denn da untrennbar immer dieselbe bleibt die Einheit der Person, so ist ein und derselbe ganz des Menschen Sohn wegen des Fleisches und ganz Gottes Sohn wegen der einen mit dem Vater gemeinsamen göttlichen Natur.
c) I. Dem thatsächlichen Sein nach ist die Person in Gott ein und dasselbe wie die Natur; und auf Grund dessen wird die Natur Gottes ausgesagt vom Sohne. Nicht aber herrscht da ein und dieselbe Weise der Bezeichnung, weshalb Manches vom Sohne Gottes gesagt wird, was nicht gilt von der göttlichen Natur; wie man sagt, der Sohn sei gezeugt, nicht aber, die göttliche Natur sei gezeugt (1. Kap. 39, Art. 5.). Und ähnlich sagen wir, der Sohn Gottes habe gelitten; nicht aber, die göttliche Natur habe gelitten. II. Die Menschwerdung will vielmehr besagen die Einigung mit dem Fleische, wie die Eigenheiten des Fleisches. Beide Naturen nun sind untereinander geeinigt in der Person; und auf Grund dieser Einigung sagt man von der göttlichen Natur, sie sei Mensch geworden, und von der menschlichen, sie sei Gott geworden. III. Was der göttlichen Natur zukommt, wird nicht unter dem Gesichtspunkte von der menschlichen ausgesagt, unter welchem es dem Wesen nach der göttlichen Natur zukommt; sondern insofern es durch Mitteilung abgeleitet werden kann zur menschlichen. Was also nicht in dieser Weise mitgeteilt werden kann, das wird nicht von der menschlichen Natur ausgesagt; wie z. B. ungeschaffen sein, allmächtig sein. Die göttliche Natur nun hat keinerlei Mitgeteiltes von seiten der menschlichen Natur erhalten; was also der menschlichen Natur zukommt, kann in keiner Weise ausgesagt werden von der göttlichen.
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