Achter Artikel. Der Satz ist falsch: Christus ist ein Geschöpf.
a) Dieser Satz ist wahr. Denn: I. Leo der Große sagt (serm. 3. Pentec.): „Ein neues und unerhörtes Begebnis: Gott, der da ist, war und sein wird. Er wird ein Geschöpf.“ Also kann man sagen: Christus ist ein Geschöpf. II. Die Eigenheiten einer jeden von beiden Naturen können ausgesagt werden von der beiden Naturen gemeinsamen Person. Die Eigenheit der menschlichen Natur aber ist, ein Geschöpf zu sein; wie die der göttlichen, Schöpfer zu sein. Also kann man ebensogut sagen: Christus ist ein Geschöpf, wie: Christus ist Schöpfer. III. Der hauptsächliche Teil im Menschen ist die Seele. Aber wegen des Körpers, der aus der Jungfrau genommen ist, wird gesagt: Christus ist geboren aus Maria der Jungfrau. Also kann man auf Grund der Seele, die von Gott geschaffen ist, sagen: Christus ist ein Geschöpf. Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (1. de fide ad Grat. c. 7.): „Sage ich also: Christus ist gemacht worden? Ist denn auf ein Gebot hin Christus geschaffen worden?“ Als ob er sagte: Nein. Deshalb fügt er hinzu: „Wie könnte in Gott ein Geschöpf sein? Denn Gott hat eine einfache, keine zusammengesetzte Natur.“ Also darf man dies nicht zugeben, daß Christus ein Geschöpf sei.
b) Ich antworte; nach Hieronymus (zu Galat. 5.) „kommen aus ungeregelt vorgebrachten Worten Häresien.“ Also dürfen wir mit den Häretikern nicht den Ausdruck gemein haben, wenn man auch demselben einen guten Sinn unterlegen könnte; damit wir nicht scheinen ihren Irrtum zu begünstigen. Die Arianer nun sagten, Christus sei Kreatur und geringer als der Vater, sowohl der göttlichen wie der menschlichen Natur nach. Also dürfen wir nicht schlechthin Christum als Geschöpf oder als minder wie der Vater bezeichnen; sondern nur mit dem Hinzufügen: nach der menschlichen Natur. Was aber ohne alles Weitere der göttlichen Person an sich zukommt,das kann ohne Zusatz und schlechthin über Christum ausgesagt werden auf Grund seiner menschlichen Natur; wie wir schlechthin sagen, Christus sei geboren, gestorben etlc. So schreiben wir auch in den stofflichen und in den rein menschlichen Dingen das, worüber ein Zweifel bestehen kann, ob es dem Ganzen oder einem Teile zukomme, wenn es einem Teile innewohnt, nicht dem Ganzen ohne weitere Bestimmung zu. Wir sagen z. B. nicht, der Neger sei weiß, sondern bestimmen weiter: mit Rücksicht auf seine Zähne. Wir sagen aber, er sei kraus, weil dies nichts Anderem zukommt wie den Haaren.
c) I. Bisweilen nennen die heiligen Lehrer der Kürze halber Christum ein Geschöpf, ohne den Zusatz „insoweit Er Mensch ist.“ II. Alle Eigenheiten der göttlichen und menschlichen Natur können von Christo ausgesagt werden. Deshalb sagt Damascenus (3. de orth. fide 4.): „Christus, der Gott ist und Mensch, wird bezeichnet als geschaffen und als ungeschaffen, als leidensfähig und als leidensunfähig.“ Was aber Zweifel verursachen kann, das darf nur unter weiterer Bestimmung und genaueren Zusätzen gesagt werden. Deshalb sagt der nämliche (4. de orth. fide 5.): „Er ist einer auf Grund der Person; ungeschaffen mit Rücksicht auf die Gottheit; geschaffen mit Rücksicht auf die Menschheit.“ So dürften wir auch nicht sagen, um nicht die Manichäer zu begünstigen: Christus ist unkörperlich, Christus ist leidensunfähig; sondern wir müssen weiter hinzufügen: „gemäß der Gottheit.“ III. Betreffs der Geburt aus der Jungfrau besteht kein Zweifel darin, wie sie von der Person des Sohnes Gottes ausgesagt wird; dies ist jedoch betreffs der Erschaffung der Fall, da Arius sagte, der Sohn Gottes sei als solcher geschaffen. Deshalb müssen wir ausdrücklich hinzufügen, um diesen Irrtum auszuschließen: Christus ist geschaffen „nach der menschlichen Natur“ und dürfen wir dies nicht schlechthin behaupten.
