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Werke Thomas von Aquin (1225-1274) Summa Theologiae Summe der Theologie
Tertia Pars
Quaestio 46

Sechster Artikel. Der Schmerz Christi in seinem Leiden war größer als alle anderen Schmerzen.

a) Dagegen spricht Folgendes: I. Der Schmerz ist um so größer, je schwerer er ist und je länger
er dauert. Manche Märtyrer aber, wie Laurentius, der auf einem Roste
langsam gebraten, und wie Vincentius, dem das Fleisch mit eisernen Zangen
herausgezwackt wurde, haben schwerer und länger gelitten als der Herr. II. Die Tugend mildert den Schmerz, wie die Stoiker lehren, daß
die Trauer das Herz eines tugendhaften nicht erfasse. Christus aber hatte
die vollendetste Tugend. Also war sein Schmerz nicht so groß. III. Je mehr der Empfindung des Schmerzes das den Schmerz leidende Wesen zugänglich ist, desto größer ist der Schmerz. Die Seele aber
ist mehr der Empfindung des Schmerzes zugänglich wie der Körper; und
zudem scheint Adam im Stande der Unschuld einen empfindsameren Körper
gehabt zu haben wie Christus, der den Körper annahm mit allen seinen
Mängeln, also nicht so zugänglich allen Eindrücken der Seele. Sonach ist
der Schmerz der Seelen im Fegfeuer oder in der Hölle und ebenso wäre der
Schmerz Adams im Paradiese, wenn er da gelitten hätte, größer gewesen
wie der Schmerz Christi. IV. Der Verlust eines größeren Gutes macht größer den Schmerz.
Der Sünder aber verliert das Leben der Gnade: ein größeres Gut nämlich
wie das natürliche Leben, welches Christus verlor. Zudem erstand Christus
nach drei Tagen wieder auf, um neu zu leben in seinem Körper. Also war
der Schmerz Christi nicht der größte. V. Die Unschuld des leidenden mindert den Schmerz. Christus aber
war „sanft wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt“ (Jerem. 11.).VI. Christus hat nichts Überflüssiges gethan. Der geringste Schmerz
aber genügte für das Heil des Menschengeschlechts; denn wegen der Person
Christi hätte er unendliche Kraft gehabt. Also brauchte Er nicht den größten
Schmerz auf Sich zu nehmen. Auf der anderen Seite heißt es in der Person Christi (Jerem. 1.): „Gebet acht und sehet, ob ein Schmerz so groß ist wie der meinige.“

b) Ich antworte, in Christo sei gewesen (Kap. 15, Art. 5 u. 6.) ein wahrer, empfindlicher Schmerz, wie ein solcher verursacht wird durch körperliche Schädigung; — und ein innerlicher Schmerz, wie ein solcher verursacht wird durch die Auffassung eines schädigenden Einflusses; dieser Schmerz heißt Trauer. Beide Arten von Schmerz, der innere und der äußere, waren im höchsten Grade stark in Christo. 1. Wegen der Ursachen des Schmerzes. Denn die Ursache des äußeren Schmerzes war der schädigende Einfluß auf den Körper. Der Tod der an das Kreuz gehefteten aber ist der bitterste; sowohl weil siean den empfindlichsten, nervenreichsten Teilen des Körpers, an den Händen und Füßen, an das Kreuz geheftet werden, als auch weil das Gewicht des Körpers, welches nach unten zieht, beständig den Schmerz vermehrt; zumal noch die Länge der Zeit hinzukommt, da bei solcher Todesart man nicht gleich stirbt, wie jene, die enthauptet werden. Die Ursache des innerlichen Schmerzes aber waren

a) alle Sünden der Menschen, für die Er genugthat und die Er nach Psalm 21. als die seinigen betrachtete: „Die Worte meiner Sünden;“ —

b) das Verderben der Juden und anderer, die bei seinem Tode sündigten; und zumal daß Ihn seine Jünger verließen, die an Ihm Ärgernis nahmen; —

c) der Verlust des körperlichen Lebens, der da gemäß der Natur der schwerste Verlust ist. 2. Es war der Schmerz ferner so groß wegen der Empfindsamkeit
des Leibes und der Seele. Denn der Leib Christi als wunderbarerweise
geformt durch göttliche Kraft, war von äußerst feiner Komplexion, wie ja auch
Anderes, was durch Wunder hergestellt ist, besser ist wie Anderes; z. B. war
nach Chrysostomus (hom. 21. in Joan.) der Wein, in den das Wasser an
der Hochzeit zu Kana verwandelt worden, besser wie der durch die Natur
hergestellte; — so daß also im Leibe des Herrn der Tastsinn äußerst scharf
war. Ebenso erfaßte die Seele auf das schärfste und wirksamste alle Ursachen der Trauer. 3. In anderen leidenden wird die innere Trauer und auch der äußerliche Schmerz gemildert durch ein Überfließen der Vernunftkraft in den sinnlichen Teil; wie z. B. durch vernunftgemäße Erwägungen. Dies hatte aber
bei Christo nicht statt, „der da jede dieser Kräfte leiden und wirken ließ,
was einer jeden es zukam“ (Dam. 3. de orth. fide 15.). IV. Der Schmerz in Christo war ein freiwilliger. So viel also nahm
Er an Sich, wie es der Größe der Frucht, nämlich der Befreiung des
Menschengeschlechts entsprach. Werden nun alle diese Ursachen zusammengenommen, so ist klar, daß Christi Schmerz der größte war.

c) I. Jener Einwurf geht bloß von einer einzigen Ursache des äußerlichen oder körperlichen Schmerzes aus. Es müssen aber auch die übrigen Ursachen berücksichtigt werden. II. Die Tugend mindert anders den inneren Schmerz und anders den äußeren. Den ersteren mindert sie direkt und unmittelbar. Denn sie stellt gerade in der inneren Trauer die rechte Mitte hin; so nämlich, daß die Trauer nicht die Grenzen der recht beratenen Vernunft überschreitet. Und weil die Stoiker glaubten, die Trauer sei zu nichts nütze; deshalb entfernten sie dieselbe ganz und gar von der Seele eines weisen. Eine gewisse Trauer jedoch ist nützlich und lobenswert: jene nämlich, die aus der heiligen Liebe hervorgeht; wenn man trauert über die Sünden anderer oder über die eigenen (14. de civ. Dei 9.); und zwar ist sie in dem Sinne nützlich, daß sie genugthut für die Sünde, nach 2. Kor. 7.: „Die nach Gott ist, diese Trauer wirkt Buße und demgemäß ständiges Heil.“ Christus also, damit Er genugthue für die Sünden aller Menschen, hat die tiefste Trauer auf Sich genommen; jedoch nicht so, daß sie der Richtschnur der Vernunft entgegen war. Den äußeren Schmerz aber mindert die Tugend mittelbar oder indirekt, insoweit die höheren Kräfte überfließen auf die niederen, was in Christo nicht der Fall war; direkt kann die Tugend nicht mindern solchen Schmerz, weil der äußere Schmerz nicht der Vernunft gehorcht. III. Der Schmerz Christi wird hier als der größte bezeichnet, nicht
im Vergleiche mit dem Schmerze der vom Leibe getrennten Seele. Dieser
ist größer; denn er übersteigt alles Übel des gegenwärtigen Lebens, wie die
Seligkeit alles gegenwärtige Gute übersteigt. Der Leib Adams im Paradiese
war dem Leiden nicht zugänglich; wäre er es aber auch gewesen, so würde
der Schmerz Christi größer gewesen sein. IV. Christus hatte Schmerz nicht nur über den Verlust des zeitlichen
Lebens, sondern auch über die Sünden aller anderen Menschen. Und dieser
Schmerz war um so tiefer, als derselbe aus größerer Liebe und Weisheit
hervorging, was den Reueschmerz ja vermehrt, und weil Ihn alle Sünden
schmerzten. Das körperliche Leben Christi aber war ebenfalls, zumal wegen
der damit vereinigten Gottheit, ein so hohes Gut, daß über dessen Verluste
wenn er auch nur eine Stunde gedauert hätte, mehr Schmerz zu empfinden
war, wie über den Verlust irgend eines anderen menschlichen Lebens,
mochte dieser Verlust so lange auch immer dauern. Deshalb sagt Aristoteles
(3 Ethic. 9.) vom tugendhaften, dieser liebe sein Leben um so mehr, je
mehr er weiß, es sei besser und trotzdem es der Gefahr aussetzt um des
Gutes der Tugend willen. Ähnlich hat nun Christus sein überaus geliebtes
Leben ausgesetzt um des Gutes der heiligen Liebe willen, nach Jerem. 12.:
„Ich habe hingegeben meine geliebte Seele in die Hände der Feinde.“ V. Die Unschuld vermindert den Schmerz mit Rücksicht auf die Zahl.
Denn der schuldige trauert nicht nur über die Strafe, sondern auch über
die Schuld. In anderer Weise aber vermehrt sie den Schmerz; denn sie erfaßt
denselben auf als etwas mit Unrecht Zugefügtes. So sind auch die anderen
mehr tadelnswert, wenn sie nicht Mitleid mit dem unschuldigen haben, nach
Isai. 57.: „Der gerechte geht zu Grunde und niemand denkt nach.“VI. Auch auf Grund der Gerechtigkeit, nicht mit seiner göttlichen
Gewalt allein wollte Christus das Menschengeschlecht befreien. Und deshalb
erwog Er, wie viel Schmerz hinreiche gemäß der menschlichen Natur zu einer
so großen Genugthuung; und nicht allein, welcher Schmerz genüge von
seiten der mit Ihm vereinigten göttlichen Natur.

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