Neunter Artikel. Christus hat zur geeigneten Zeit gelitten.
a) Dem wird widersprochen: I. Das Leiden wird vorgebildet durch das Osterlamm, nach 1. Kor. 5.: „Unser Osterlamm ist aufgeopfert worden, Christus.“ Das Osterlamm aber ward geopfert am vierzehnten Tage (Exod. 12.) des Monats Nisan. Also.mußte Christus an jenem Tage leiden, als Er das Osterlamm feierte mit seinen Jüngern, nach Mark. 14: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote, als sie das Osterlamm opferten.“ Er hat aber den Tag darauf gelitten. II. Christus nennt sein Leiden seine „Erhöhung“, nach Joh. 3, 14. Christus selbst aber wird genannt „die Sonne der Gerechtigkeit“ (Malach. ult.). Also mußte Er zur sechsten Stunde leiden, nämlich Mittags, wenn die Sonne am höchsten steht. Mark. 15, 25. aber wird gesagt: „Es war die dritte Stunde, als sie Ihn kreuzigten.“ III. Die Sonne steht am höchsten jeden Tag zur sechsten Stunde, am Mittage. Während des Jahres steht sie am höchsten im Sommer-Solstitium. Also mußte Er zu dieser Zeit leiden. IV. Durch die Gegenwart Christi in der Welt wurde die Welt erleuchtet, nach Joh. 9.: „So lange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ Also wäre es dem menschlichen Heile zukömmlicher gewesen, daß Er länger geblieben sein würde. Er hätte also als Greis leiden sollen. Auf der anderen Seite heißt es Joh. 13.: „Da Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, um zum Vater zu gehen;“ und Joh. 2.: „Noch nicht ist meine Stunde gekommen;“ wozu Augustin bemerkt (tract. 6. in Joan.): „Als Er so viel gethan hatte wie Er für genügend urteilte, kam seine Stunde; nicht aus Notwendigkeit, sondern weil Er so wollte.“ Also hat Er zu zukömmlicher Zeit gelitten.
b) Ich antworte; das Leiden des Herrn sei seinem Willen untergeben gewesen. Sein Wille aber ward geleitet durch die göttliche Weisheit, die Alles in schönster Ordnung leitet (Sap. 8.). Also war die Zeit seines Leidens eine geeignete: „Alles hat der Herr zur geeigneten Zeit und am geeigneten Orte vollbracht“ (Aug. 55 Qq. V. et N. T.).
c) I. Manche meinen, Christus habe am vierzehnten Tage des Mondes gelitten, als die Juden das Osterlamm schlachteten; weshalb es heiße Joh. 15.: „Die Juden gingen nicht hinein in den Gerichtssaal des Pilatus (am Tage des Leidens selber), damit sie nicht unrein würden, sondern das Osterlamm essen könnten.“ Dazu bemerkt Chrysostomus (hom. 82. in Joan.): „An diesem Tage feierten die Juden Ostern. Er aber hatte den Tag zuvor Ostern gefeiert und behielt seinen Opfertod der 6. feria vor, als im Alten Bunde Ostern gefeiert ward.“ Und dem scheint zu entsprechen, daß nach Joh. 13. Er „vor dem Festtage, nach dem Abendmahle, den Jüngern die Füße wusch.“ Dem scheint aber gegenüberzustehen Matth. 26, 17., wo es heißt: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote traten die Jünger zum Herrn und sprachen: „Wo willst Du, daß wir vorbereiten, um das Osterlamm, das Pascha, zu essen?“ Daraus geht hervor, daß, „da der erste Tag der ungesäuerten Brote genannt wird, der vierzehnte Tag des ersten Mondes, wann Ostern gefeiert wurde und Vollmond ist“ (Hieron. in Matth. 26.), daß an diesem Tage der Herr das Abendmahl hielt und am fünfzehnten Tage gelitten hat. Und das steht noch ausdrücklicher bei Mark. 14.: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote als sie Ostern hielten;“ und Luk. 2.: „Es kam der Tag der ungesäuerten Brote, in welchem das Osterlamm geschlachtet werden mußte.“ Deshalb sagt man, Christus habe das Osterlamm am festgesetzten Tage gegessen, damtt Er bis ans Ende die Vorschriften des Gesetzes erfülle (Chrysost. 82. in Matth.). Die Juden aber hätten, beschäftigt mit dem Tode Christi, gegen das Gesetz, die Feier von Ostern auf den nächsten Tagverschoben. Und darum werde von ihnen gesagt, sie hätten nicht in den Gerichtssaal eintreten wollen, „damit sie nicht unrein würden, sondern das Osterlamm äßen.“ Aber auch dies scheint den Worten bei Markus nicht zu entsprechen: „Am ersten Tage der ungesäuerten Brote, als sie das Osterlamm opferten.“ Zugleich feierten also Christus und die Juden Ostern. Wie daher Beda sagt (c. 43. in Marc), „obgleich Christus, der unser Osterlamm ist, geopfert ward den folgenden Tag d. i. den fünfzehnten, machte Er doch in der Nacht, in welcher das Osterlamm geopfert wurde, dadurch daß Er seinen Jüngern die Geheimnisse seines Leibes und Blutes übergab und von den Juden gefangen und gebunden wurde, den heiligen Anfang seines Leidens.“ Wenn also Joh. 13. gesagt wird: vor dem Feste der Ostern, so wird darunter der vierzehnte, also damals die 5. feria, der Donnerstag, verstanden; denn der fünfzehnte, wo Vollmond war, war der feierlichste Tag der Ostern für die Juden. Denselben Tag somit, welchen Johannes nennt „vor dem Festtage der Ostern,“ weil er Rücksicht nahm auf die natürliche Trennung des einen Tages vom anderen, nennt Matthäus „den ersten Tag der ungesäuerten Brote“, weil nach dem Ritus der Juden die Feierlichkeit ihren Anfang nahm am Abende des vorhergehenden Tages. Was gesagt wird, sie würden essen das Pascha am fünfzehnten des Mondes, das ist nicht zu verstehen vom Essen des wirklichen Osterlammes, das am vierzehnten geopfert wurde; sondern von den Osterspeisen wie die ungesäuerten Brote, die nur reine essen durften. Deshalb nimmt Chrysostomus noch eine andere Auslegung zu Hilfe, nach welcher das „Pascha“ verstanden werden kann vom ganzen Verlaufe des Osterfestes, welches durch sieben Tage andauerte. II. Augustin sagt darauf (3. de cons. Evgl. 13.): „Es war um die sechste Stunde, als der Herr von Pilatus den Juden überliefert wurde, daß sie Ihn kreuzigten, wie Johannes sagt. Denn es war nicht genau die sechste Stunde, sondern die fünfte war vorüber und die sechste war in etwa angefangen. Als aber die sechste Stunde vollendet war, da hing Jesus am Kreuze und es ward Finsternis. Die dritte Stunde wird so verstanden, daß da die Juden schrieen: Kreuzige Ihn; und daß sie Ihn also damals wahrhaft kreuzigten, als sie so die Ursache wurden für das Todesurteil. Damit also niemand voll Abscheu vor einem solchen Verbrechen von den Juden die Schuld auf die Soldaten lenke, sagt der andere Evangelist: Es war die dritte Stunde und sie kreuzigten Ihn. Denn jene haben Ihn vielmehr gekreuzigt, die da um die dritte Stunde (9 Uhr) schrieen: Kreuzige Ihn; und nicht so sehr die Soldaten, die Ihn wirklich ans Kreuz schlugen. Einige aber sagen, die Worte des Johannes: es war Parasceve um die sechste Stunde, deuten eben auf die dritte Stunde hin; da Parasceve heißt: Vorbereitung; also vor der sechsten Stunde. Das wahre Osterlamm jedoch fing an vorbereitet zu werden von der neunten Stunde der Nacht an, als alle Fürsten der Priester sagten: Er ist des Todes schuldig. Von dieser nächtigen Stunde an bis zur Kreuzigung Christi läuft die „beinahe sechste Stunde“ des Johannes und „die dritte Stunde“ des Markus. Andere aber sagen, es handle sich hier nur um einen Schreibfehler, da im Griechischen die Zahlzeichen für 3 und 6 sehr ähnlich sind. III. „Zu jener Zeit wollte der Herr die Welt wieder erneuern, in welcher Er sie geschaffen hatte, nämlich in der Tag- und Nachtgleiche, von wo an die Welt ihren Anfang nahm und wo der Tag anfängt, an Dauer die Nacht zu überragen; weil wir vom Heilande aus der Finsternis zumLichte geführt werden“ (Aug. 55 Qq. V. et N. T.). Und weil die volle Erleuchtung in der zweiten Ankunft Christi sein wird, deshalb wird die Zeit dieser mit dem Hochsommer verglichen, nach Matth. 24.: „Wenn sein Zweig noch zart ist und die Blätter bereits gekommen sind; dann wißt ihr, daß der Sommer naht; so nun, wenn ihr seht, daß alles dies kommt, wisset, er sei nahe und vor der Thüre.“ Dann wird die größte Erhöhung Christi sein. IV. Christus wollte im jugendlichen Alter sterben: 1. Damit Er uns seine Liebe zeige, da Er die Welt verließ, als sein körperliches Leben in seiner Vollkraft war; — 2. weil es nicht zukömmlich war, daß in Ihm etwa Schwächung der Natur sich zeigte ebensowenig wie Krankheit; — 3. damit Er jung sterbend, die Vollendung der auferstandenen Leiber vorbilde in Sich selber; nach Ephes. 4, 13.
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