Zehnter Artikel. Die tägliche Kommunion.
a) Es ist nicht erlaubt, täglich zu kommunizieren. Denn: I. Wie die Taufe das Leiden Christi vorstellt, so auch dieses Sakrament. Es ist aber nicht erlaubt, mehrmals getauft zu werden, weil „Christus“ nur „einmal für unsere Sünden gestorben ist“ (1. Petr. 3.). Also darf man die Eucharistie nicht täglich empfangen. II. Die Wahrheit muß der Figur entsprechen. Das Osterlamm aber, die hauptsächlichste Figur der Eucharistie, wurde nur einmal im Jahre gegessen; und auch nur einmal feiert die Kirche im ganzen Jahre das Andenken an das Leiden, in dessen Gedächtnis dieses Sakrament eingesetzt worden. Also nur einmal im Jahre darf man kommunizieren. III. Dieses Sakrament enthält Christum selber und gebührt ihm deshalb vorzügliche Ehrfurcht. Zur Ehrfurcht aber gehört es, daß man sich der Kommunion oft enthält, weshalb ja auch der Hauptmann im Evangelium gelobt wird, der da sagte: „Herr; ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach“ (Matth. 8.); und Petrus sagt zum Herrn (Luk. 5.): „Gehe hinweg von mir, Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Also ist es nicht lobenswert, daß man täglich kommuniziere. IV. Wäre es lobenswert, dieses Sakrament häufig zu empfangen; so müßte man es nicht nur täglich, sondern mehrmals am Tage empfangen. Dies ist aber nicht Brauch in der Kirche. V. Durch die Kirchengebote bezweckt die Kirche den Nutzen der gläubigen. Sie gebietet aber, nur einmal im Jahre zu kommunizieren; nach extra de poenit. et remiss. c. 12.: „Jeder gläubige von beiden Geschlechtern soll zum mindesten zu Ostern ehrerbietig das Sakrament der Eucharistie empfangen; er müßte sich denn aus einem vernünftigen Grunde auf den Rat des ihm vorgesetzten Priesters für eine gewisse Zeit desselben enthalten.“ Also ist es nicht von Nutzen, täglich zu kommunizieren. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de verb. dom. c. 28.): „Dies ist das tägliche Brot; nimm es alle Tage, daß es alle Tage dir nütze.“
b) Ich antworte, werde das heilige Sakrament an sich betrachtet, so sei dessen Kraft den Menschen heilsam und danach sei es nützlich, alle Tage zu kommunizieren. Deshalb sagt Ambrosius (4. de sacr. 6.): „Wenn, so oft das Blut Christi vergossen wird, es vergossen wird zum Nachlasse der Sünden, so muß ich es täglich empfangen; denn täglich sündige ich und bedarf der Medizin.“ Wird jedoch die Sache erwogen von seiten des Empfängers her, so muß dieser mit großer Andacht und Ehrfurcht das heiligste Sakrament empfangen. Findet sich also jemand täglich dementsprechend vorbereitet, so ist es lobenswert, daß er es täglich empfängt. Deshalb fügt Augustin zu den obigen Worten hinzu: „Lebe so, daß du es täglich empfangen darfst.“ Weil nun nach der letztgenannten Seite hin sich vielfach in den Menschen Hindernisse finden, sei es vom Körper sei es vom Zustande der Seele aus, so ist es nicht allen Menschen nützlich, alle Tage zu kommunizieren; sondern so oft sich der Mensch in der geeigneten Verfassung dazu findet. Deshalb heißt es im lib. de dogm. eccl. c. 35.: „Täglich zu kommunizieren, das lobe ich nicht und das tadle ich auch nicht.
c) I. Durch die Taufe wird der Mensch gleichförmig dem Tode Christi, indem er dessen Charakterbild in sich aufnimmt. Wie also Christus nur einmal gestorben ist, so darf der Mensch auch nur einmal getauft werden. Durch die Eucharistie aber empfängt der Mensch keinen Charakter, sondern Christum selber, dessen Kraft ewig neu bleibt. Deshalb heißt es Hebr. 10.: „Kraft eines einzigen Darbringens hat Er in Ewigkeit zur Vollendung gebracht die geheiligten.“ Weil also der Mensch täglich der heilsamen Kraft Christi bedarf, kann er lobenswerterweise täglich kommunizieren. Zudem ist die Taufe eine geistige Wiedererzeugung, die ihrer Natur nach nur einmal statthat. Die Eucharistie aber ist geistige Nahrung. Wie also die körperliche Speise täglich genommen wird, so ist es lobenswert, dieses Sakrament täglich zu empfangen. Deshalb sagt Augustin zur vierten Bitte des Vaterunser (de verb. dom. I. c.): „Wenn du täglich dieses geistige Brot empfängst, so ist dies „täglich“ für dich das „heute“; täglich steht dir Christus auf; denn heute ist es, daß Er dir aufsteht.“ II. Das Osterlamm war die hauptsächlichste Figur der Eucharistie, weil durch diese das Leiden Christi dargestellt wird. Einmal im Jahre also ward es genommen, weil nur einmal Christus gelitten hat. Und deshalb begeht die Kirche einmal nur im Jahre das feierliche Andenken an das Leiden Christi. Insoweit aber dieses Sakrament Speise und in dieser Weise das Andenken an das Leiden Christi ist, kann es täglich genommen werden. Und danach wird es figürlich dargestellt durch das Manna, welches in der Wüste dem Volke täglich dargeboten wurde. III. Mit der Ehrfurcht vor diesem Sakramente ist kindliche Liebe verbunden. Und so geht von der Liebe aus das Verlangen nach der Kommunion und von der Ehrfurcht geht aus die Demut, mit der man sich ihr nahen muß. Beides also gehört zur Ehrfurcht vor diesem Sakramente, sowohl daß es täglich genommen wird als auch daß man sich bisweilen desselben enthält. Deshalb schreibt Augustin (ep. 54. c. 3.): „Sagt jemand, man müsse dieses Sakrament täglich empfangen, und ein anderer meint, das Gegenteil sei recht; so thue jeder was er nach seinem frommen Dafürhalten für gut erachtet. Denn auch Zachäus steht nicht im Gegensatze zum Hauptmann, weil jener voll Freude den Herrn in sein Haus aufnahm, und dieser sprach: Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach. Beide ehrten den Herrn, aber nicht auf die gleiche Weise.“ Jedoch ist Liebe und Hoffnung vorzuziehen der Furcht. Und so antwortete auch der Herr auf die angeführten Worte des Petrus: „Fürchte nicht.“ IV. „Unser tägliches Brot gieb uns heute,“ sagt der Herr. Also ist nicht mehrmals am Tage zu kommunizieren; damit wenigstens dadurch daß jemand nur einmal am Tage kommuniziert, die Einheit des Leidens dargestellt sei. V. Zu verschiedenen Zeiten hat die Kirche in diesem Punkte Verschiedenes geboten. Denn in der ersten Zeit, als eine große Andacht des Glaubens noch glühte, ward vorgeschrieben, daß die Christen täglich kommunizieren. Deshalb sagt Anaklet (ep. l.): „Nachdem die Konsekration vollzogen ist, sollen alle kommunizieren, die nicht von der Kirche ausgeschlossen werden wollen; denn so haben die Apostel es gethan, so ist der Brauch der römischen Kirche.“ Nachher, als der Eifer im Glauben nachgelassen, hat Papst Fabian vorgeschrieben (c. 16. de consecr. dist. 2.), „man solle, wenn nicht häufiger, so doch dreimal im Jahre kommunizieren.nämlich zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten.“ Papst Soter schrieb vor (decret. 4.), „man solle auch am Gründonnerstage kommunizieren.“ Endlich gab Innocenz III., als die Liebe erkaltet war, das Gebot, man solle mindestens einmal im Jahre, zu Ostern, kommunizieren (conc. Lat. IV. c. 21.). Im lib. de eccl. dogmat. wird geraten, alle Sonntage zu kommunizieren (c. 53.).
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