Erster Artikel. Die Buße ist ein Sakrament.
a) Sie ist keines. Denn: I. Gregor der Große sagt (decret. 1.; q. I.; cap. Multi saecularium): „Sakramente sind die Taufe, das Chrisma, der Leib und das Blut des Herrn. Sie werden deshalb Sakramente genannt, weil unter körperlicher Hülle die göttliche Kraft geheimnisvoll das Heil wirkt.“ Dies trifft aber bei der Buße nicht zu. Denn da finden sich keine körperlichen Dinge, unter denen wie als Hüllen die göttliche Kraft das Heil wirkte. Also ist die Buße kein Sakrament. II. Die Sakramente der Kirche werden gespendet, als von deren Verwaltern, von den Dienern der Kirche, nach 1. Kor. 4.: „So erachte uns jeder Mensch wie Diener Christi und wie Verwalter der Geheimnisse Gottes.“ Die Buße aber wird dem Menschen innerlich von Gott eingeflößt, nach Jerem. 31.: „Nachdem Du mich zu Dir bekehrt hast, habe ich Buße gethan.“ III. In allen übrigen Sakramenten, von denen bereits die Rede war, ist etwas, was nur Zeichen oder Sakrament ist; und etwas ist Sakrament und Wirkung oder sachlicher Inhalt, sacramentum et res, zugleich; und etwas Drittes ist nur Wirkung und kein Sakrament oder äußeres Zeichen. Dies kann aber in der Buße nicht gefunden werden. Auf der anderen Seite dient wie die Taufe so auch die Buße dazu, von Sünden zu reinigen, so daß Petrus dem Simon Magus sagte (Act. 8.): „Thue Buße wegen dieser Missethat.“ Nun ist die Taufe ein Sakrament; also auch die Buße.
b) Ich antworte, Gregor bestimme so l. c.: „Das Sakrament vollendet sich in einer gewissen Feierlichkeit; wenn nämlich die betreffende Sacheso geschieht, daß man versteht, es werde damit etwas bezeichnet, was mit Bezug auf etwas Heiliges zu nehmen ist.“ Offenbar aber vollendet sich in der Buße die Sache so, daß etwas Heiliges bezeichnet wird sowohl von seiten des Sünders wie von seiten des lossprechenden. Denn der Sünder zeigt durch Wort und That, er habe sein Herz von der Sünde abgekehrt; und ähnlich zeigt der lossprechende durch Wort und That auf das Werk Gottes, der die Sünden nachläßt. Also ist die Buße, wie sie in der Kirche genommen wird, ein Sakrament.
c) I. Unter „körperlichen Dingen“ versteht man überhaupt sinnlich wahrnehmbare Dinge, die in diesem Sakramente sich so verhalten wie das Wasser in der Taufe, der Chrisam in der Firmung. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, daß in den Sakramenten, die eine sehr hervorragende, alle Fähigkeit menschlichen Zuthuns übersteigende Gnade mit sich bringen, ein Stoff äußerlich angewandt wird; wie z. B. bei der Taufe, in der völliger Nachlaß aller Sünde und aller Strafe verliehen wird; und in der Firmung, wo die Fülle des heiligen Geistes gegeben wird; und in der letzten Ölung, wo vollendete geistige Gesundheit der Seele zu teil wird, und zwar kommt solche Gesundheit aus der Kraft Christi wie aus einem außenstehenden Princip. Die menschliche Thätigkeit als solche also, soweit sie in diesen Sakramenten ist, wird nicht durch das aus Materie und Form bestehende Wesen derselben eingeschlossen; sondern ist wie vorbereitend für sie. In allen jenen Sakramenten aber, die eine der menschlichen Thätigkeit als solcher entsprechende Wirkung haben, sind diese menschlichen, sinnlich wahrnehmbaren Thätigkeiten selber anstatt der Materie, wie in der Buße und in der Ehe (!). So verhält es sich auch mit den körperlichen Medizinen: Die einen sind von außen her angewandte Mittel wie die Pflaster; die anderen sind Thätigkeiten der zu heilenden, wie gewisse körperliche Übungen, Spazierengehen z. B. II. In den Sakramenten, die eine solche außen befindliche körperliche Materie haben, muß diese vom Spender angewandt werden, der namens und in der Person Christi wirkt. Im Sakramente der Buße aber sind innerliche Thätigkeiten selber die Materie; und solche Thätigkeiten kommen von innerlicher Eingebung. Nicht also vom Spender her wird die Materie geboten, wie bei der Taufe das Wasser; sondern von Gott her wird sie bereitet und der lossprechende bietet die Vervollständigung des Sakramentes, indem er losspricht. III. „Sakrament“ allein in der Buße sind die äußerlichen Akte des büßenden sowohl wie des lossprechenden. „Sakrament“ zugleich und res oder Wirkung ist die innere Reue des Sünders. „Wirkung“ allein und nicht äußeres Zeichen ist der Nachlaß der Sünden. Das Erste davon, in beiden zusammen, ist die Ursache des Zweiten; das Zweite zusammen mit dem Ersten ist gewissermaßen Ursache des Dritten.
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