Zehnter Artikel. Das Bußsakrament darf man wiederholt empfangen.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Hebr. 6. heißt es: „Unmöglich ist es, daß jene, welche einmal erleuchtet worden und von der Himmelsgabe gekostet haben und teilhaft geworden sind des heiligen Geistes und gefallen sind, wieder erneuert werden zur Buße.“ Wer aber bereut hat, ist erleuchtet und hat gekostet von der Himmelsgabe des heiligen Geistes. Also kann er nicht von neuem bereuen. II. Ambrosius schreibt (2. de poenit. 10.): „Es giebt deren, die da öfter schon Buße gethan haben, die Mißbrauch treiben mit der Gnade Christi. Denn wenn sie wahrhaft Buße thäten, so hätten sie nicht notwendig, dieselbe zu wiederholen. Eine Taufe, eine Buße.“ Die Taufe aber wird nicht wiederholt. III. Die Wunder, welche der Herr an kranken gewirkt, zeigen an die Heilung geistiger Krankheiten. Wir lesen aber nicht, daß der Herr ein und denselben blinden zweimal mit dem Augenlichte beschenkt oder ein und denselben aussätzigen zweimal gereinigt hätte. Also darf man auch keinem Sünder zweimal das Bußsakrament reichen. IV. Gregor (34. in Eevgl.) sagt: „Buße will heißen die vergangenen Sünden beweinen und das zu Beweinende nicht wieder begehen.“ Und Isidor (2. de summo bono 16.): „Ein Spötter ist es und kein Büßer, der noch thut das, was er bereut.“ V. Wie die Taufe ihre wirkende Kraft hat aus dem Leiden Christi, so auch die Buße. Die Taufe aber wird nicht wiederholt; also auch nicht die Buße. VI. Ambrosius erklärt zu Ps. 118. (deprecaatus sum faciem): „Die Leichtigkeit Nachlaß zu finden giebt den Anstoß, um mehr zu sündigen.“ Könnte man also oft das Bußsakrament empfangen, so beförderte dies das Sündigen. Auf der anderen Seite wird angeleitet der Mensch zur Barmherzigkeit durch das Beispiel der göttlichen Barmherzigkeit, nach Luk. 6.: „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist. Der Herr hat aber diese Barmherzigkeit den Jüngern anbefohlen, daß sie öfter ihren Brüdern verzeihen, wenn dieselben sie beleidigen: „siebenundsiebzigmal,“ sagt Christus zu Petrus, „solle er verzeihen, nicht siebenmal (Matth. 18, 21.). Also verzeiht Gott öfter den Sündern, die um Verzeihung bitten, nach Matth. 6.: „Verzeihe unsere Schulden, so wie wir verzeihen unseren Schuldigern.
b) Ich antworte; die Novatianer meinten irrtümlich, nach der ersten Buße, der Taufe, könne der von neuem sündigende nicht von neuem durch die Reue zurückkehren. Andere meinten, nach der Taufe sei zwar nützlich das Bußsakrament; aber nur ein einziges Mal dürfte es empfangen werden (l. c. cap. 5.). Diese Irrtümer kamen 1. daher, daß die betreffenden Irrlehrer den Wesenscharakter der Buße nicht kannten. Denn da nur durch die heilige Liebe die Sünden nachgelassen werden, so meinten sie, die einmal erhaltene Liebe könne nicht verloren gehen; wenn demnach die Reue eine wahrhaftige sei und die Liebe das Herz in Besitz genommen habe, so könne letztere durch keine Sünde wieder entfernt werden; und so sei eine Emeuerung der Buße unnötig. Die heilige Liebe aber kann auf Grund der Willensfreiheit verloren werden; und somit kann jemand, auch nach wahrhaftiger Buße, wieder in Sünden fallen (vgl. II., II. Kap. 24, Art. 11.). Sie hatten 2. die Ansicht, eine solche Schwere habe die nach der Verzeihung begangene Sünde, daß sie nicht mehr nachgelassen werden könne. Doch ist dies
a) gegen den Charakter der Sünde, die, auch nach erlangter Verzeihung, schwerer sein kann oder leichter wie die vorher begangene; — und
b) gegen die Unermeßlichkeit der göttlichen Barmherzigkeit, welche größer ist als alle Gattungen und alle Zahl der Sünde, nach Ps. 50.: „Erbarme Dich meiner nach Deiner großen Barmherzigkeit und nach der Menge Deiner Erbarmungen tilge meine Bosheit.“ Deshalb wird auch das Wort Kains verworfen: „Größer ist meine Sünde als daß ich Verzeihung erlangen könnte;“ und 2. Paral. ult. heißt es: „Unermeßlich und unerforschlich ist die Barmherzigkeit Deiner Verheißung weit über die Bosheit der Menschen.“ Das Bußsakrament also kann wiederholt werden.
c) I. Weil bei den Juden einige Waschungen waren, nach denen sie gemäß dem Gesetze mehrmals rein wurden; so meinten manche derselben, auch die Taufe könne mehrmals empfangen werden. Dementgegen schreibt der Apostel: „Unmöglich ist, daß die einmal erleuchteten (durch die Taufe) wieder erneuert werden zur Buße“ (durch die Taufe, welche ist „das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes ). Und den Grund giebt der Apostel ebenfalls an, weil nämlich durch die Taufe der Mensch in Christo stirbt: „indem sie kreuzigen den Sohn Gottes von neuem in sich. II. Ambrosius spricht von der feierlichen Buße in der Kirche, wie sie damals Brauch war; diese ward nicht wiederholt. III. Darauf antwortet Augustin (l. c.): „Viele blinde und zu verschiedener Zeit hat der Herr geheilt und viele kranke gesund gemacht. Er zeigte damit, wie in jenen verschiedenen oft die nämlichen Sünden verziehen werden, so daß, wen der Herr zuerst als einen blinden geheilt, diesen selben Er dann als aussätzigen gereinigt hat. Deshalb nämlich hat Er so viele fieberkranke, so viele lahme, so viele blinde und taube geheilt, damit keinSünder verzweifle; und darum wird nicht geschrieben, der Herr habe zweimal ein und denselben geheilt, damit jeder sich fürchte, mit der Sünde sich zu verbinden. Er nennt sich einen Arzt; gewiß nicht für die gesunden, sondern für die kranken. Welchen Arzt aber gäbe es wohl, der das nämliche Übel nur einmal und nicht ein zweites Mal heilen könnte? Sache der Ärzte ist es, einen, der hundertmal krank wird, hundertmal zu heilen. Christus wäre geringer wie die anderen Ärzte, wenn Er was diese können nicht vermöchte.“ IV. Jener ist ein Spötter und kein Büßer, der zugleich damit daß er bereut und um Verzeihung bittet eben dasselbe thut, was er äußerlich bereut. Daß aber jemand später wieder in die Sünde zurückfällt, dies schließt nicht aus, daß die erste Reue eine wahrhaftige gewesen sei. Denn niemals wird die Wahrhaftigkeit des ftüheren Aktes ausgeschlossen dadurch, daß ein zu diesem in Gegensatz stehender Akt später folgt. Wahrhaft z. B. lauft jemand jetzt, der später nicht lauft, sondern sitzt. V. Die Taufe hat ihre Kraft aus dem Leiden Christi als geistige Wiedererzeugung, deren Natur es ist, nur einmal statthaben zu können zugleich mit dem Verzichten auf das frühere Leben, dem Tode der Sünde. Einmal nur wird der Mensch geboren, wie er nur einmal stirbt (Hebr. 9.). Die Buße aber hat Kraft aus dem Leiden Christi wie geistige Medizin, die wiederholt werden kann. VI. Nach Augustin (l. c.) steht es fest, daß Gott im höchsten Grade mißfallen die Sündm, eben weil Er beständig bereit ist, sie zu zerstören, damit nicht aufgelöst wird was Er geschaffen; nicht verdorben was Er geliebt.“
