Erster Artikel. Zur Seligkeit gehört Freude und Ergötzen.
a) Dem widerspricht: I. Augustinus (1. de Trin. 8.) mit den Worten: „Das Schauen ist der ganze Lohn des Glaubens.“ Der Lohn des Glaubens aber ist die Seligkeit. Also die Seligkeit ist nur Schauen. II. Die Seligkeit ist durch und an sich das allseitig hinreichendste Gut. (1 Ethic. 7.) Also bedarf sie keines anderen Gutes, das zu ihr hinzugefügt würde. III. Das Ergötzen hindert die Wirksamkeit der Vernunft; „denn sie ist nachteilig für das sorgsame Abschätzen der Vernunft.“ (6 Ethic. 6.) Die Thätigkeit aber, in welcher die Seligkeit besteht, muß eine ungehinderte sein. Also. Auf der anderen Seite sagt Augustin (10. Conf. 22.): „Die Seligkeit ist die Freude über die Wahrheit.“
b) Ich antworte; in vierfacher Weise wird etwas erfordert für denBestand eines andern Seins; — 1. wie die Einleitung oder Vorbereitung dazu, so z. B. wird der Unterricht erfordert für die Wissenschaft; 2. wie das vervollkommnende, bethätigende Element, so wird z. B. die Seele erfordert für das Leben des Körpers; 3. wie Beistand von außen her, so wird z. B. ein Mitarbeiter erfordert; 4. wie etwas Begleitendes, so z. B. wird die Wärme erfordert für das Feuer. Und in dieser letzten Weise wird für die Seligkeit das Ergötzen erfordert. Denn Ergötzen oder Freude fließt daraus, worin als in dem erlangten Gute das Begehren ruht. Da also die Seligkeit die Erreichung des höchsten Gutes ist, so kann sie nicht bestehen, ohne daß sie von der Freude begleitet wird.
c) I. Eben deshalb, daß jemandem der Lohn gegeben wird, ruht der Wille dessen, der ihn verdient; und dieses Ruhen ist: Sich freuen. In der Natur des Lohnes also liegt die Freude oder das Ergötzen. II. Aus dem Schauen des göttlichen Wesens selber fließt die Freude; also ist da kein Bedürfnis. III. Die Freude, welche aus der Thätigkeit der Vernunft selbst hervorgeht, hindert diese letztere nicht, sondern kräftigt vielmehr; denn was wir mit Freuden thun, das thun wir mit mehr Aufmerksamkeit und Beharrlichkeit. Die Freude aber, welche von außen her kommt, hindert die Thätigkeit der Vernunft; und zwar bisweilen infolge der Zerstreuung, denn aufmerksamer sind wir auf das, was uns freut und ergötzt, wenn wir also dem einen Gegenstande uns mehr zuwenden, so leidet der andere darunter; — bisweilen aber auch auf Grund des Gegensatzes, wie das Ergötzen der Sinne, welches der Vernunft entgegen ist, die Thätigkeit dieser selben Vernunft hindert, der praktischen noch mehr wie der spekulativen.
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