Sechster Artikel. Als Vorbereitung und Ausfluß von der Seligkeit wird die Vollendung des Körpers erfordert.
a) Die Vollendung des Körpers scheint gar nicht erfordert zu sein für die Seligkeit. Denn: I. Die Vollendung des Körpers ist ein körperliches Gut. Die Seligkeit aber, wie gezeigt worden, besteht nicht in körperlichen Gütern. II. Zur Anschauung des göttlichen Wesens, worin ja die Seligkeit besteht, trägt der Körper nichts bei; wie gleichfalls gezeigt worden. III. Je mehr die Vernunft losgelöst ist vom Körperlichen und von ihm absieht, desto vollkommener erkennt sie. Die Seligkeit aber besteht in der vollendetsten Thätigkeit der Vernunft. Also muß sie dafür in jeder Weise vom Körper losgelöst sein. Auf der anderen Seite ist die Seligkeit der Lohn der Tugend. Demgemäß heißt es bei Joh. 13.: „Selig werdet ihr sein, wenn ihr dies gethan haben werdet.“ Den Heiligen aber werden als Lohn außer der Anschauung Gottes und der Freude in Ihm auch körperliche Vollkommenheiten versprochen, wie Isaias ult. sagt: „Ihr werdet schauen und freuen wird sich euer Herz und euere Gebeine werden aufsprossen wie das Kraut des Feldes.“ Also gehört körperliche Vollendung auch zur Seligkeit.
b) Ich antworte: Sprechen wir von des Menschen Seligkeit, wie sie im gegenwärtigen Leben besessen werden kann, so gehört dazu mit Notwendigkeit eine gute Verfassung des Körpers. Diese Seligkeit nämlich besteht nach I Ethic. 7. in der Thätigkeit der vollendeten Kraft. Durch die Krankheit des Körpers aber kann der Mensch in jeder Thätigkeit seiner Kräfte ohne Zweifel gehindert werden. Sprechen wir jedoch von der vollendeten Seligkeit, so nahmen einige an, daß vielmehr die Seele von allem Körperlichen vollständig getrennt sein müsse, um selig zu sein. Deshalb führt (12. de C0iv. Dei 26.) Augustin die Worte des Porphyrius an: „Damit die Seele selig sei, muß man jeden Körper fliehen.“ Dies ist aber unzulässig. Denn da es der Natur der Menschenseele entspricht, mit dem Körper vereint zu werden, so darf die Vollendung derselben nicht ihre natürliche Vollendung ausschließen. Deshalb soll man vielmehr sagen, zur allseitig vollendeten Seligkeit gehöre die vollendete Verfassung des Körpers sowohl als Vorerfordernis als auch als Ausfluß der Seligkeit. Deshalb schreibt betreffend des ersten Punktes Augustin (12. sup. Gen. ad litt. 35.): „Wenn der Körper so beschaffen ist, daß die Leitung desselben mit Schwierigkeiten verknüpft und schwerfällig erscheint, wie ja das Fleisch, was vergeht, die Seele beschwert; so wendet sich die Vernunft ab von jenem Anschauen des Höchsten,“ und er schließt: „Wann dieser Leib aber nicht mehr dem Gewichte der Sinne unterworfen, sondern geistig sein wird, dann wird er den Engeln gleich sein; undzur Herrlichkeit wird beitragen, was hier Last war.“ Als Ausfluß von der Seligkeit aber gehört die Vollendung des Körpers zur Seligkeit des Menschen, weil der Glanz der Anschauung Gottes überströmen wird auf den Leib, damit dieser ebenfalls seine Vollendung habe. Deshalb sagt Augustin (ep.ad Dioscurum): „Die Seele hat kraft der göttlichen Allmacht eine so gewaltige Natur, daß aus ihrer im höchsten Grade vollendeten Seligkeit überströmen wird auf die niedrige Natur die Kraft der Unvergänglichkeit.“
c) I. Kein körperliches Gut ist der Gegenstand der Seligkeit; wohl aber kann das Wohl des Körpers beitragen zu einem gewissen Glanze und einer gewissen Vollendung der Seligkeit. II. Der Körper trägt zwar nichts bei zu jener Thätigkeit der Vernunft, kraft deren das Wesen Gottes geschaut wird; aber er könnte die Seele in dieser Anschauung stören, wie Augustin oben sagte, oder in etwa ein Hindernis für deren Vollendung sein. Deshalb ist die Vollendung des Körpers erfordert, damit er die Erhebung des Geistes in nichts hindere. III. Von diesem vergänglichen Leibe muß allerdings die Vernunft losgelöst sein, soll sie anders in vollendeter Thätigkeit sich befinden; nicht aber von jenem geistigen Leibe, der nämlich dem Geiste vollständig unterworfen sein wird.
