Viertes Kapitel. Die zur Seeligkeit erforderlichen Güter
Überleitung. Longitudine dierum replebo eum: et ostendam illi salutare meum. Ps. 90. „Mit der Fülle der Tage will ich ihn ausfüllen, Und zeigen werde ich ihm mein Heil.“ Wie hier der Psalmist so schön die Ewigkeit verknüpft mit dem Erfassen, mit dem Offenbarwerden des Heils! Und Thomas hatte oben gezeigt, wie die Seligkeit allein von jenem Vermögen ausgehen und ihrem Wesen nach allein jenem Vermögen zukommen kann, welches sie festzuhalten vemag. Von wo ein ewiges Festhalten auszugehen vermag, da muß der Sitz unseres Heils sein. Der Sinn, der Wille richten sich an und für sich auf einzelne Güter; nach dem Wirklichen als solchem streben sie. In diesen Vermögen ist die Vorbedingung nicht da für das Festhalten des Heils. Von den ihnen entsprechenden Gütern heißt es (Sap. V.): „Alle jene Dinge sind vorübergegangen wie der Schatten und wieein Eilbote, der vorüberläuft; und wie ein Schiff, welches im ringsumher wogenden Wasser fährt. Die Hoffnung des Gottlosen ist wie Staub, der vom Winde entführt wird; und wie leichter Schaum, den der Sturm zerstreut; und wie Rauch, den der leiseste Lufthauch teilt; und wie das Gedächtnis an einen Gast, der einen Tag blieb und weiter wandelte.“ Nein; da ist kein Festhalten; von da her strömt kein wahres Heil. Mit Bezug darauf hat Augustin recht, wenn er schreibt: „Durchlaufe diese einzelnen Dinge und so viele Peinen wirst du finden als Laster;“ er folgt damit nur dem Eccle. II.: „Alle seine (des Geizigen) Tage sind voll von Schmerzen und Kümmernissen.“ Die Vernunft allein unter allen Vermögen des Menschen weiß wahrhaft zu erfassen und festzuhalten. Denn sie allein hat zum Gegenstande das, was in jedem Dinge bleibt: die Spur und den Schatten der Ewigkeit. Das Wesen als den innersten Halt jeglichen Dinges erfaßt sie allein: „Niemand,“ sagt darum Augustin (83. Qq. 35.), „kennt das ewige Leben und ist elend: denn es kennen ist dasselbe wie es haben. Denn was heißt dies anders, selig leben, als etwas Ewiges dadurch haben daß man es durchaus erkennt. Das Ewige nämlich ist es, worauf wir uns mit Recht verlassen können, was dem Liebenden nichts mehr fortnehmen kann; und dieses selbe ist es, was man besitzt, wenn man es erkennt. Unter allen Dingen nämlich ist das vorzüglichste, was ewig ist; und deshalb können wir es nicht anders haben, als durch jene Kraft, welche in uns einzig hervorragt, durch die Vernunft. Was aber vermittelst der Vernunft besessen wird, das wird durch die Kenntnis besessen.“ Wir konnten oben sehen, wie anschaulich Thomas es hervorhob, daß nur in der Thätigkeit der Vernunft die Seligkeit wesentlich bestehen kann. Was für den Geizigen die Hand ist, mit der er das geliebte Geld festhält; was für den Maler der Pinsel und die Farben sind, womit die gesuchte Darstellung des inneren Ideals gegenwärtig wird; was für den Handwerker das Werkzeug, für den Feldherrn der Plan, für das Wasser das Fließen, für das Licht das Leuchten ist; — alle die getrennten Vollkommenheiten, wodurch jedes Sein in den Stand gesetzt wird, seinen Zweck zu erreichen und festzuhalten, das ist für den Menschen die eine einige Kraft der Vernunft, die ihrer Natur sich auf Alles erstreckt. Eindringlicher ist die für das menschliche Wirken verpflichtende Kraft der Vernunft nie gezeigt worden. Da ist der deutliche, klare Weg vorgezeichnet, auf welchem „der Herr sein Heil zeigt“. Aber der Mensch ist blind für den blendenden Glanz seiner eigenen Vernunft. Er möchte sich von vornherein der Verpflichtung entschlagen, in ihr „ein Zeichen zum Guten“ zu sehen. Er scheut seine Vernunft; — jedoch mit Unrecht. Oder welcher Geizige streckt nicht die Hand aus, wenn es gilt, Geld in Empfang zu nehmen und um so weiter streckt er sie aus, je entfernter das Geld ist; und um so fester umspannt er es, je mehr es ihm entfallen möchte, je größer dessen Menge. Kein Maler wird sich finden, der unter Farben verschiedener Güte nicht die seiner Ansicht nach besseren wählte, wenn auch keine ganz und gar der Darstellung seines Ideals entspricht. Welcher Ausdruck für den Redner packender ist und das Ziel mehr gegenwärtig macht, den erachtet sich der Redner auf Grund seines Zweckes verpflichtet anzuwenden! So verpflichtet die Leidenschaft, die Kunst, das Wissen immer zu dem, was den Zweck näher bringt, mag es auch diesen selber nicht mit Sicherheit erreichen; — und jeder hält dies für selbstverständlich.Gilt es aber das Endgut des Menschen; gilt es seiner Seele Seligkeit; gilt es das, wozu seine ganze Natur, all seine Vermögen verpflichten, sein eigenes, allumfassendes Wohl, so soll es gleichgültig sein, ob ein Ding mehr oder minder der Vernunft entspricht, von welcher ja, wie Thomas oben sagte, als von dem höchsten Vermögen die Seligkeit fließt in die niedrigeren, in den ganzen Menschen; es soll gleichgültig sein, ob etwas mehr oder minder wahrscheinlich ist, d. h. mehr oder minder Grund für sich hat! Er, Gott, kündet seinem Freunde von Ihm an, daß es sein Besitz sei und daß er zu ihm könne hinaufsteigen,“ sagt Job 26. Dazu bemerkt erklärend Gregor der Große (27. moral. c. 8.): „Vom Lichte des ewigen Vaterlandes her kündet Gott selbst seinem Freunde an, daß es sein Besitz sei, damit dieser Freund keineswegs wegen der Gebrechlichkeit seiner eigenen Schwäche verzweifle; sondern desto zuverlässiger wisse, er werde jenes Lichtes Klarheit besitzen, je mehr er hier die Finsternisse der an sein Herz klopfenden Leidenschaften mit Füßen trete.“ Der sogenannte Probabilismus aber will nichts davon wissen, daß das Licht der Vernunft die Seligkeit erwerbe und daß in ihm Gott das Heil zeige. Denn ohne irgend einen Grund und somit ohne Vernunft darf man nach ihm das minder Wahrscheinliche dem mehr Wahrscheinlichen vorziehen; bloß weil es so gefällt: etwa der Liebe Gottes? nein, der Leidenschaft. „Je mehr der Mensch,“ so erklärte Thomas oben, „hier auf Erden schon teilnähme an der Ähnlichkeit mit Gott, desto mehr sei seine Seligkeit vollendet.“ Was ist denn Gott? Der Urgrund. Wodurch wird also der Mensch Gott ähnlicher? Durch die Beachtung der von Gott erleuchteten Vernunft, welche den Grund für die Wirksamkeit vermittelt. Der Probabilismus aber ist grausam gegen den Menschen. Denn er versichert ihm, er braucht nicht nach dem mehr oder weniger Begründeten zu fragen, sondern er könne sogleich wirken, wenn nur ein schwacher Grund vorhanden sei, mag auch diesem gegenüber ein stärkerer für das gegenteilige Handeln stehen. Ob mehr oder minder der Mensch sich der Seligkeit nähere, mehr oder minder sein schließliches Wohl erreiche, ob er überhaupt dahin gelange, das bleibt dem Probabilismus gleichgültig, wenn er nur mit einigen dialektischen Künsten glänzen kann. Er erlaubt dann sogar, daß der Mensch ohne weiteren Grund das weniger Begründete vor dem mehr Begründeten bevorzugen kann. Thomas erläutert sich selbst noch weiter: „Das Höhere kann nicht vom Niedrigeren vervollkommnet werden; der Stein an sich mit seinem Wesen kann nicht die Vernunft vollenden. Wohl aber thut er dies vermittelst der Teilnahme an einer Kraft, die höher ist als die menschliche Vernunft; und wo diese Kraft ihrem Wesen nach mit Notwendigkeit ruht, da ist die letzte Vollendung des Menschen.“ Das ewige Licht enthüllt vor den Augen deines Geistes das Ewige, Unabänderliche, Unendliche in jedem Dinge; es nimmt fort die Schranken der Zeitlichkeit, des Raumes, der Zahl; es zeigt in jedem Dinge das endlose innere Wesen. Und wann bist du sicher, daß das ewige Licht dir so das Ewige, das Endlose, die eine einige Wahrheit in den Dingen zeigt? Wann dich keine begrenzte Wirklichkeit aufhält; wann der Durst nach mehr Wahrheit und Unendlichkeit in dir wächst; wann du nicht träge meinst: hier ist etwas Wahrheit, hier ist ein etwaiger Grund, hier will ich mich niederlassen; — sondern wenn du bei jeder Wirksamkeit nur immer in dir den Durst vermehrst, noch besser es zu machen, weiter und noch mehr Gott ähnlich zu werden. Das Endlose hier auf Erden ist der Stempel desGotteslichtes, das von oben strahlt und das Wesen der Dinge öffnet. Die Fülle der Unendlichkeit wird die Krone sein da oben. Wie hinfällig erscheint da der Einwand, daß, wenn jeder verpflichtet wäre, das Wahrscheinlichere zu erwählen, dann jeder ins Kloster gehen, jeder streng fasten müsse wie der heilige Antonius u. s. w.; denn dies führte jedenfalls mit mehr Wahrscheinlichkeit zum Himmel, wie das Gegenteil? Durchaus nicht! Nur bist du verpflichtet, nach deinem Wohle zu streben; und wo dein Wohl, merke wohl, nicht das Wohl eines anderen, dein eigenes Wohl sich in höherem Grade zeigt, danach mußt du dich richten. Nicht jeder hat denselben Beruf; aber „was Gott dir befiehlt, daran denke immer“. Nicht wo es sich um einzelne besondere Gnaden handelt, nicht wo verschiedene Berufsarten in Frage stehen, gilt, was Thomas sagt, daß wer Gott, also dem ersten Grunde, näher sei, der auch vollendeter werde; — nein, von den Geboten Gottes ist hier die Rede. Und da ist der heilige Kirchenlehrer des letzten Jahrhunderts, wie wir im „Wissen Gottes“ (Bd. IV, Kap. 16) nachgewiesen, ganz unserer Meinung. Alfonsus hat überhaupt nur für die Praxis der Beichtväter schreiben wollen. Nur gegenüber einer falschen Systematisierung des Probabiliorismus hat er dem Probabilismus sich zugeneigt. Der für die Praxis des christlichen Lebens verderbliche Hauptgrundsatz der Probabilisten wird auch von Liguori in den praktischen Fällen durchaus verleugnet; d. h. durch Ausnahmen für die Praxis so eingeschränkt, daß nichts mehr davon zurückbleibt. Die Gebote Gottes gilt es hier, das nämlich, was unzweifelhaft dem Wohle des Menschen dient. Was da wahrscheinlicher ist nach allen Seiten hin; das ist Gott ähnlicher; es hat mehr an Grund in sich; es entspricht entschiedener dem Wohle des Menschen; oder vielmehr es entspricht, dem minder Wahrscheinlichen gegenüber allein, wie, falls der Maler eine allseitig bessere Farbe unter denselben Bedingungen haben kann, die schlechtere nicht mehr für ihn existiert. Was macht derjenige, der sich wundert, der da anstaunt? Er sucht mit Eifer nach dem Grunde. So, sagt Thomas, so ist es, wenn Gott „das Heil zeigt“. Da wird die Seele hingerissen, sie will nimmer rasten, immer weiter will sie eindringen. Immer mehr will die Vernunft ergreifen das Licht der Ewigkeit, daß es hineinleuchte in die ganze Natur des Menschen bis in die niedrigsten Fähigkeiten hinein und überall Glanz, Friede und Ordnung bringe. Und hier kommt Thomas wieder mit dem, was am stärksten den Menschen bewegen muß. Naturale nennt er das desiderium, die letzte selige Vollendung zu erhalten. Von ihrer eigeren Natur fallen jene ab, welche gleichgültig sind gegen ein Mehr oder Minder im Guten, gegen ein Mehr oder Minder im Wahren. Die Natur selber stürmt, geführt durch ihre höchste Fähigkeit, die Vernunft und erst vermittelst derselben durch den Willen, zum Schauen des Wesens Gottes. Sie gelangt mit ihren Kräften nur dahin, daß sie sieht, wie sie von sich aus, mit der Hilfe der sichtbaren Natur, zu nichts Anderem kommt, als daß nichts in der Natur, nichts im Geschaffenen ihr letzter Endzweck sein kann; als daß sie am Ende ihres Bestrebens nichts weiteres fordern, nichts weiter verlangen kann; denn eben die Ohnmacht der Natur umgiebt sie. Aber der barmherzige Gott, aus dessen Güte sie, ohne ein Recht zu haben, geflossen; Er giebt dann auch seinen Beistand, daß die Seele über die Natur hinaus, ohne ein Recht zu haben, Ihn suche. Daß die Seele „inmittender Nacht der Natur nur ihre Hände gegen ihren noch unbekannten Gott ausstrecke“; manibus meis nocte contra eum; —- „sie wird nicht getäuscht werden.“ „Je unbekannter ihr,“ wie Dionysius sich ausdrückt, „Gott hier ist seinem Wesen nach;“ je mehr sie fühlt, wie weit alle Natur von ihm absteht und in sich selbst nur nichts ist; und je mehr sie trotzdem auf Ihn baut und Ihm glaubt, desto „fester hält sie schon fest“ im eigenen Innern, ohne daß sie es weiß, „die Rechte des Herrn.“ Von Natur verlangt die Seele nach der Anschauung des göttlichen Wesens; d. h. nach einem Endzwecke, der über alle natürlichen Güter hinausgeht; die Kräfte aber dazu giebt die Natur nicht, die müssen von der durchaus freien Gnade und Barmherzigkeit Gottes kommen. Das ist das Grundgeheimnis, welches, je länger der Christ lebt und Gott liebt, desto mehr Verwunderung einflößt: Schrecken nach dem niedrigeren sinnlichen Teile des Menschen hin; heiliges lebendiges Vertrauen dem höheren Teile. Das fühlte Job, der nach den obigen Worten fortfährt: „Darüber erschrak mein Herz und von seinem Orte hinweg ist es bewegt worden.“ Gott hatte dem „Freunde“ angezeigt seinen zukünftigen endlosen Besitz und ihn geheißen, hinaufzusteigen; — wie also ist es, daß das Herz sich nicht freut, sondern daß „Schrecken es erfüllt“! Gregor erklärt dies weiter: „Der Ort des menschlichen Herzens ist die Ergötzlichkeit des irdischen Lebens. Wenn aber Gott seine Güter zeigt und so durch sein Einsprechen den Ort des menschlichen Herzens berührt, so ersteht da die Liebe zum Ewigen. Durch die Betrachtung der Ewigkeit also wird von seinem Orte hinweg der Geist bewegt, weil er nun das Niedrige zu lieben aufhört und mit Gedanken an die höchsten Dinge angefüllt wird. Vorher nämlich wußte die Seele nicht, was Ewiges bedeute; gelähmt war sie in der Liebe zu den gegenwärtigen Gütern und zugleich wandelte sie selbst vorüber und hielt sich fest an den wandelnden Gütern. Da sie aber erkannte, welche Bedeutung die ewigen Güter hätten, da sie erreicht hatte die Strahlen höheren Lichtes in ihrer Betrachtung, erhob sie sich hingerissen vor Bewunderung der höchsten Dinge von den niedrigsten Gütern aus, an denen sie festhielt und wollte fortan nichts mehr als das Ewige. Das Vorübereilende verachtet sie nun; allein was bleibt, danach forscht sie.“ Von dieser nämlichen Furcht ergriffen ruft Bernardus aus (ep. 236.): „Denke in allen deinen Werken daran, daß du Mensch bist; und die Furcht vor Jenem, der hinwegnimmt den Geist der Fürsten, sei immer vor deinen Augen.“ Wende ab, o Mensch, von der Kürze und Wandelbarkeit der vergänglichen Güter deinen verlangenden Blick; und versenke ihn in Jenen, der da allein „die Länge und Dauer der Tage ohne Aufhören in Fülle giebt: und hier anfängt, im Glauben dir dein Heil zu zeigen“, damit Er dich dort in Herrlichkeit kröne. „Schön verhüllte Strafen,“ speciosa supplicia, nennt Cyprian ep. ad Donatum die Güter dieser Welt; „die da,“ wie Seneca sagt (ad Polyb.), „mit Mühe und Arbeit besessen, mit Neid von anderen angesehen werden; und die da jene selbst, auf denen sie lasten, drücken;“ — „die,“ wie Bernardus (ep. 105.) schreibt, „wenn sie besessen werden, belästigen; wenn sie verloren werden, quälen; wenn sie gesucht werden, verunreinigen.“ „Dreifach ist ihr Untergang;“ predigt Chrysologus (hom. 15. in Matth.), „sie werden schlecht in sich selber oder sie werden gemißbraucht durch die Leidenschaft ihrer Besitzer oder geraubt von Fremden durch List, Gewalt, Ungerechtigkeit.“ Fürchte nichts; — diese Güter sogar, welcher Art sie auch immer sein mögen, findest du veredelt wieder, hast du einmal den Quell aller Güter dauernd gefunden. Oder wie sollte der nicht alle Wissenschaften begreifen, welcher jenen dem Wesen nach schaut, der Alles sieht und weiß? Wie sollte derjenige nicht von Freude überströmt werden, der in die Freude des Herrn, in die überfließende Ursache aller Freude und Ergötzlichkeit eintritt? Wie hoch gewaltig ist nicht derjenige, den der Sohn selber einladet, daß „er esse und trinke an seiner Tafel“ in der Burg der allgewaltigen Königsherrschaft des Vaters? Wie sicher, den der Schoß der Ewigkeit aufnimmt! Dann wird die Wahrheit erscheinen ohne Rätsel so, wie sie ist. Wie mit einem Strome von Ergötzen wird der Geist gesättigt werden, wenn der vollendete Gegenstand mit dem vollendetsten Vermögen im vollendetsten, einem jeden angepaßten, Grade wird geeinigt werden. Unsere Niedrigkeit wird dann erhoben sein bis zur Gesellschaft mit Gott, um da unverlierbare Beharrlichkeit aller Güter und ein unendliches seliges Leben zu erhalten. Dies wird uns Thomas jetzt erklären; was nämlich zum Wesen der Seligkeit, wonach sie im Anschauen Gottes besteht, noch von seiten aller anderen Fähigkeiten hinzutritt; damit wir so in etwa die unaussprechliche andauernde Fülle der Güter ahnen, von denen der Psalmist spricht: „Mit der Dauer der Tage werde ich ihn anfüllen: und zeigen werde ich ihm mein Heil.“ Tag ist für den Menschen der Reichtum; Tag für ihn ist die Freude; Tag für ihn die Macht; Tag für ihn, d. h. erfrischendes Tageslicht die Weisheit. Nun wohl; diese Tage „neigen sich“ so häufig hier auf Erden; und kaum ist einer von ihnen aufgegangen, so „will es schon wieder Abend werden“. Diese „Tage“ werden aber da oben nicht fehlen; lange werden sie dauern. Denn nur was von allen diesen „Tagen“ gut und trostvoll ist, nur was in ihnen an Wahrheit und Freude ist, nur was von selben in Gott seinen Ursprung hat, das wird dort bleiben. Aller Mangel wird entfernt sein, da wo das Licht der Ewigkeit strahlt und wo „Gott selber der Seele sein Heil, d. h. sein Wesen zeigt“.
