XIII. Kapitel: Von Herkulanus, Bischof von Perugia
Kürzlich erzählte mir Floridus, ein Bischof von verehrungswürdigem Wandel, ein sehr merkwürdiges Wunder. Herkulanus, sagte er, ein sehr heiliger Mann, der mich erzogen hat, war Bischof von Perugia und war vom Klosterleben zur Gnade der bischöflichen Würde gekommen. Zur Zeit des ketzerischen Königs Totila belagerte ein Gotenheer sieben volle Jahre lang die Stadt; viele Bürger flohen deshalb aus der Stadt, da sie die Hungersnot nicht ertragen konnten. Aber ehe noch das siebente Jahr zu Ende ging, zog das Heer der Goten in die belagerte Stadt ein. Der Graf, der das Heer befehligte, schickte Boten an den König Totila und ließ fragen, was mit dem Bischof und mit dem Volk geschehen solle. Da befahl er: „Dem Bischof schneide zuerst einen Riemen aus seiner Haut vom Scheitel bis zur Ferse und dann schlage ihm das Haupt ab; das ganze Volk aber, das sich dort findet, töte durch das Schwert!” Der Graf ließ daraufhin den Bischof Herkulanus, den ehrwürdigen Mann, auf die Stadtmauer führen und ihm das Haupt abschlagen. Jetzt, nachdem er tot war, ließ der Graf in seine Haut vom Scheitel bis zur Ferse Einschnitte machen, daß es aussah, als seien Riemen ausgeschnitten worden. Hierauf warf er den Leichnam über die Mauer. Aus menschlichem Mitgefühl legten einige das abgeschlagene Haupt an den Nacken und begruben den Bischof mitsamt einem kleinen Knaben, der dort entseelt neben der Stadtmauer S. 126 aufgefunden wurde, Als nun, vierzig Tage nach jenem Blutbade der König Totila befahl, es sollten die Bürger der Stadt, die sich da- und dorthin geflüchtet, ohne Furcht zurückkehren, kamen jene, welche wegen des Hungers geflohen waren, nachdem ihnen jetzt das Leben geschenkt war, wieder zurück. Und eingedenk, welch ein Leben ihr Bischof geführt hatte, fragten sie nach, wo sein Leichnam begraben liege, um ihn mit gebührender Ehre in der Kirche des heiligen Apostels Petrus beizusetzen. Als man an das Grab ging und die Erde aufgrub, fand man den Leichnam des mitbeerdigten Knaben, da es ja schon der vierzigste Tag war, bereits in Verwesung übergegangen und voll Würmer, den Leichnam des Bischofs aber so, als wäre er erst an demselben Tage beerdigt worden. Hierbei muß man noch ehrfurchtsvoll bewundern, daß das Haupt so mit dem Leichnam vereinigt war, als ob es nie von ihm getrennt gewesen wäre, ja daß nicht einmal die Spur einer Verletzung sichtbar war. Als man den Leichnam umdrehte, um nachzusehen, ob keine andere Verletzung sich zeige, fand man den ganzen Leichnam so unberührt und unverletzt, als ob ihn nie ein schneidendes Messer berührt hätte.
Petrus. Wer sollte sich nicht verwundern über solche Zeichen an Toten, die geschehen zur Erweckung1 der Lebendigen?
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Die glückliche Emendation Th. Kranzfelders pro excitatione viventium für pro exercitatione viventium wird auch durch den griechischen Text unterstützt, der lautet: διὰ τὴν τν ζώντων διέγϱσιν ↩